Landratsamt Landshut (04.12.2017) Der Fehler ist ebenso kurzsichtig wie alltäglich – und im Fall von alten Menschen mehr als sträflich: Um für kurzfristige Bilanzen Geld einzusparen, wird mittel- und langfristig Geld zum Fenster hinausgeworfen. Um acht Prozent erhöhen sich die Pflegekosten für alte Menschen, wenn bei ihrer Ernährung und/oder Verköstigung (Stichworte: Zeitpunkt, Appetit-Anregung) etwas falsch läuft:
Das hat die Studie einer Beratungsgesellschaft ergeben, die Altenpflege unter die rein betriebswirtschaftlich-monetäre Lupe genommen hat. Dies war eine der interessanten Erkenntnisse, die Fachkräfte aus Küche, Hauswirtschaft und Pflege im Landratsamt Landshut vermittelt bekamen bei einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Mangelernährung im Alter“.
Solche Veranstaltungen genießen inzwischen offenkundig einen sehr guten Ruf, über die Region Landshut hinaus: Auch diesmal kamen Teilnehmer aus ganz Niederbayern. Die Veranstaltung, die der Landkreis und das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) gemeinsam ausrichteten, wurde von Heidi Gegenfurtner vom AELF moderiert. Von Seiten des Landkreises zeichnete die Sozialpädagogin Doris Donderer verantwortlich, die auch Sprecherin des Arbeitskreises Geronto-Psychiatrie ist.
Landrat Peter Dreier machte den Versammelten in seinen Grußworten ein Kompliment: Die hohe Teilnehmerzahl sehe er als Beleg dafür, dass viele Fachkräfte, die in der Altenpflege tätig sind, ihre Aufgaben mit größtem Engagement erfüllen. Das freue ihn sehr: Denn nur ein solche Einstellung könne das ermöglichen, was Angehörige, Politik und Gesellschaft forderten und was sich jeder für sich selber wünsche – den Lebensabend in Würde zu verbringen. Daher begrüße er es auch besonders, dass Fachkräfte, die in ganz verschiedenen Funktionen mit Senioren oder Pflegebedürftigen zu tun haben, sich vernetzen, ihren Blick weiten und Erfahrungen austauschen.
Der alltägliche Spagat
Dass dies ungemein wichtig und wortwörtlich notwendig ist, also um alltägliche Not alter Menschen zu wenden, das machte auch die Moderatorin Heidi Gegenfurtner vom Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung des AELF in ihren Eingangsworten deutlich: Unter dem allgemeinen Kosten- und Zeitdruck und bei dünnen Personaldecken sei es immer wieder ein Spagat, die Hauptaufgabe befriedigend zu erfüllen: für die alten und pflegebedürftigen Menschen dazusein und angemessen für sie zu sorgen.
Diese Herausforderung treffe die Mitarbeiter in Küchen ebenso wie Pflegekräfte – und es sei daher enorm wichtig, dass sie sich austauschen, gemeinsam anpackten, buchstäblich Hand in Hand arbeiten, machte die Moderatorin deutlich: Grundlage dafür, die Herausforderungen zu bewältigen, seien gediegene und praxisnahe Informationen. Die bekamen die Teilnehmer in geballter, aber sehr anschaulicher und eingängiger Form – durch die Vortrage der Ökotrophologin Monika Rothbächer und der Pflegefachkraft Rita Nerl sowie anschließend bei Fachforen. Eigentlich beschämend für eine reiche, gebildete Gesellschaft wie der in Deutschland ist der Umstand, dass Mangelernährung von Senioren in der Regel erst festgestellt wird, wenn die alten Leute in Kliniken auf Herz und Nieren untersucht werden.
Ein Fünftel mangelernährt
Grundsätzlich sei zu bedenken, dass sich der Stoffwechsel im Alter ändert, führte Monika Rothbächer aus: Wichtige Vitalstoffe werden nicht mehr so problemlos aufgenommen, zugleich braucht der Organismus sie oft dringender (zur Keimabwehr, für Heilungsprozesse etwa) und zudem essen und trinken viele ältere Menschen weniger – ein Teufelskreis. Wenn Senioren nun das Vergnügen am Essen vergällt wird, durch lieblos kredenzte Billigware, durch den Zwang, immer zu den genau für den durchgetakteten Ablauf in Heimen festgelegten Zeiten jeweils die gerade anstehende Mahlzeit zu sich zu nehmen – dann brauche sich niemand zu wundern, dass laut Studien ein Fünftel der Bewohner stationärer Senioren-Einrichtungen mangelernährt ist.
Und es könne nicht überraschen, dass die Zahl älterer Menschen mit Mangelernährung Jahr für Jahr deutlich steigt: Meist leiden sie unter Eiweiß und/oder Vitaminmangel; die Hälfte der Bewohner braucht Hilfe beim Essen, zum Beispiel beim Kleinschneiden. Oft komme Appetitlosigkeit hinzu, die viele Ursachen haben kann – Depressionen, Nebenwirkungen von Medikamenten oder der erwähnte Zwang, zu bestimmten Zeiten zu essen sowie die geschmacklose Zubereitung von Speisen. Eine Herausforderung, die man meistern kann, wenn man einige Grundsätze beachtet, wie Rothbächer darlegte: Das Weniger an Nahrung, das Senioren zu sich nehmen, muss deutlich gehaltvoller sein, mehr Kalorien haben und angereichert sein mit Mineralstoffen und Vitaminen, sollte wertvolle Proteine und hochwertige Öle enthalten.
Die Sachverständige im Gesundheitswesen Rita Nerl (Regierung von Niederbayern) legte die rechtlichen Rahmenbedingungen und fachlichen Rahmenkonzepte für die Verpflegung alter Menschen dar – Standards und klare Verpflichtungen dazu, dass Heimträger für eine angemessene Personaldecke und eine ausreichende Sachausstattung zu sorgen haben.
Wenn man Warnsignale frühzeitig wahrnimmt, haben die Fachleute in Küche und Pflege sehr wohl das Wissen und Können, dem Problem umgehend Herr zu werden, erklärte sie. „Multiprofessionelle Zusammenarbeit“ schütze vor dem Auftreten von Mangelernährung.
Voller Vitalstoffe und Kraft
Nerl sprach dabei vom „Konzept der geschützten Essenszeiten“: Dazu gehört, dass es mehrere Angebote für Essenszeiten für die Senioren gibt, dass sie ungestört essen können und ausreichend Zeit dafür haben – und vor allem auch, dass die Pflegekräfte ausreichend Zeit für ihre eigentliche Arbeit haben und nicht aus Ersparnisgründen noch Aufgaben des Küchenpersonals übernehmen müssen.
Wenn dies gewährleistet ist, kann man den alten Menschen das bieten, was die Diät-Assistentin Anja Salzgeber bei einem anschließen Gruppengespräch auf diesen Nenner brachte: „Essen soll schmecken, Freude bereiten, bekömmlich und gesund sein.“ Dass das alles nicht ins Geld gehen muss und dennoch die Forderungen erfüllt wird, dass die Speisen energie- und vitalstoffreich sind, machten die Fachfrauen in einer Veranstaltungspause deutlich mit einer Fülle von Kostproben solcher Gerichte, unter anderem mit viel Hülsenfrüchten, Getreide- und Milchprodukten, aber zum Beispiel auch mit Mandelbutter, Makrelenaufstrich oder Linsenmehl. So manche kleine Portion hat es wirklich in sich: Das wurde einem durchaus wohlgenährten Teilnehmer deutlich vor Augen geführt, als er vor einem knapp schnapsglasgroßen Gefäß mit Hirsebrei und Fruchtsauce gewarnt wurde, dessen Inhalt einfach köstlich schmeckte: Das vermeintliche „Magentratzerl“ habe nämlich 500 Kalorien, gab es mahnende Worte. Der Teilnehmer holte sich gleich noch ein so eine Leckerei und erkundigte sich – sie hat gerade einmal 620 Kalorien.
Im Bild oben: Referentinnen und Organisationsteam der Fortbildungsveranstaltung aus dem Landratsamt (LRA) und dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Landshut, von rechts: Dorothee Trauzettel (AELF), Doris Donderer (LRA), Monika Rothbächer, Heidi Gegenfurtner und Rita Nerl (alle AELF).