Aus einem Routine-Einsatz wurde für den Leiter der Vilsbiburger Polizei-Inspektion (PI), Hermann Vogelgsang, und einige seiner Kollegen eine Horror-Nacht, freilich mit glücklichem Ausgang:
Er konnte in einer eiskalten Nacht im Februar zwei 16-jährige, sturzbetrunkene Jugendliche ganz knapp vor dem Erfrierungstod retten. Der Vorfall, der zu einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren führte, hat auch auf Verwaltungsebene Konsequenzen gehabt:
Auf Anordnung von Landrat Josef Eppeneder nimmt die Abteilung für öffentliche Sicherheit und Ordnung sogenannte „Privat-Partys" genau unter die Lupe – und hat in einigen Fällen spürbare Bußgelder verhängt, die ihre Wirkung nicht verfehlen, wie Abteilungsleiter Stefan Possart feststellt.
Es ist zwar auch in Zeiten von Handy, Facebook&Co. kein rechtsfreier Raum, aber in tatsächlicher Hinsicht ein sehr unübersichtliches Terrain, erläutern der Jurist Possart und sein Mitarbeiter Josef Hiergeist, Sachgebietsleiter für öffentliche Sicherheit.
Für eine öffentliche Festveranstaltung sind Genehmigungen nötig, das beginnt schon bei einer Schank-Genehmigung, erläutern Possart und Hiergeist. Aber auch eine Reihe anderer Voraussetzungen müssen erfüllt sein.
So muss der Brandschutz gewährleistet sein, auch der Jugendschutz, das heißt: Veranstalter müssen zum Beispiel sicherstellen, dass junge Leute unter 18 keinen Schnaps ausgeschenkt bekommen und um 24 Uhr die Festivität verlassen. Je nach Größe der Veranstaltung müssen gegebenenfalls Sanitätshelfer vor Ort sein und Toilettenwagen aufgestellt werden. Das alles kostet Zeit und damit vor allem Geld. Und Steuern müssen anständige Veranstalter natürlich auch noch zahlen.
Schutz schmälert Gewinn
In einer Welt des globalisierten Finanzkapitalismus, in der sich fast alles nur noch um Geld dreht, ist es eigentlich kein Wunder, dass einige Schlaue auch hierzulande dem Vorbild der großen Finanzhaie im Kleinen nacheifern: Staat, Behörden, Sicherheitsvorschriften, alles, was regulierend eingreift, Menschen vor Bränden oder Alkohol-Vergiftung schützen könnte, aber eben die Gewinne schmälern würde, dieser ganze Ballast wird ignoriert und außen vor gelassen.
Frei nach den Leitlinien des Neoliberalismus: Möglichst viel Gewinn, möglichst keine Steuern zahlen, Verluste und Risiken trägt die Allgemeinheit.
Bei dieser Deregulierung hilft, wie so oft, die Technik: Per SMS, über Facebook und andere „soziale Netzwerke" werden Einladungen unter die jugendliche Klientel gebracht. Am Ort der Festivität erwartet die jungen Leute eine mehr oder weniger professionell organisierte Veranstaltung: Reichlich Getränke, „weiche" und „harte" Alkoholika, zu günstigen Preisen gibt es zuhauf; schließlich hat man beim Discounter günstig eingekauft.
Der Ausschankbetrieb geht schon mal an Theken vonstatten, die jedem Gastronomie-Betrieb Ehre machen würden, aber halt in einer Halle oder einem anderen Privatgebäude ihren Dienst tun. Das Ganze wird als „Privat-Party" getarnt; fragen Jugend-, Ordnungs- oder andere Ämter nach, wird erklärt, da sei der 20. Geburtstag von dem- oder derjenigen gefeiert worden.
Lange waren den Behörden, beileibe nicht nur der Polizei und dem Landratsamt, zwar nicht rechtlich, aber faktisch die Hände gebunden: Wo keine schlüssige Beweiskette zu führen ist, wo der letztlich wertlose „Freunde"-Begriff a la Facebook die Fakten vernebelt, greift die öffentliche Hand ins Leere.
T-Shirts bei 17 Grad minus
Wahrscheinlich musste so ein Beinahe-Desaster wie bei Vilsbiburg geschehen. Offenbar nützten viele Warnungen an Eltern und Eigentümer von Scheunen und leerstehenden Gebäuden nichts, dass sie sich straf- und schadensersatzrechtlich verantwortlich machen können – und dass gerade Versicherungen, wenn bei einer solchen „Privat-Party" etwas schiefgeht, überhaupt kein Verständnis zeigen.
In der Nacht von einem Samstag auf Sonntag im Februar 2011, leitete Hermann Vogelgsang einen Routine-Einsatz, als er über die Rettungsleitstelle in Landshut von der angeblichen Privat-Party unterrichtet wurde: Wie dies genau ablief, darüber schweigen die Behörden auch Monate danach noch.
Wer immer die Polizei informiert hat, er hat jedenfalls zwei 16-Jährigen das Leben gerettet: Mit einer lebensgefährlichen Alkohol-Vergiftung, nur mit T-Shirts bekleidet, lagen die beiden jungen Männer bei 17 Grad minus im Freien, vollgepumpt mit Alkohol.
Zehn Minuten zwischen Leben und Tod
„Wären wir zehn Minuten später gekommen, wären die Buben nicht mehr zu retten gewesen", erzählt Vogelgsang, der die jungen Leute in die Intensiv-Station des Vilsbiburger Krankenhauses einlieferte. Der Ort der angeblichen „Privat-Party", an der über 100 Gäste teilnahmen, alle zwischen 14 und 16 Jahre alt, war ein fast fertiggestelltes Wohnhaus, das den Eltern des „Gastgebers" gehört.
Für die „Privat-Party" waren reichlich alkoholische Getränke gebunkert worden, „Schnaps in nicht unerheblichen Mengen", erinnert sich Vogel-gsang, Wodka vor allem. Die meisten Jugendlichen seien von den Eltern zu der Party gefahren worden; viele hätten Schlafsäcke mitgebracht. Zwei der blutjungen Party-Gänger hätten sich in dieser Nacht beinahe zum letzten Mal zum Schlafen gelegt ...
Das Landratsamt Landshut hat unterdessen auf der Grundlage von Ermittlungen der Polizei den Veranstaltern von zwei angeblichen Privat-Partys nachweisen können, dass es vielmehr öffentliche Feste waren – veranstaltet unter Umgehung aller einschlägigen Vorschriften.
Die Behörde hat dies mit Bußgeldern geahndet, in einem Fall in Höhe von 9000 Euro. Landratsamt und Polizei sind freilich nicht die einzigen Behörden, die sich für die Partys interessieren: Wer Schnaps gewerblich verkauft, muss, jedenfalls wenn es legal zugeht, Umsatz- und Einkommenssteuer berappen.