Hochkarätige Runde auf dem Podium im Ergoldinger Bürgersaal. - Fotos: W. Götz
Ergolding – gw (05.11.2019) Die Redewendung „Fünf vor 12“ beschreibt eher eine heikle, brenzlige Situation. Mit „Es ist Eile geboten; es ist beinahe zu spät“ lässt sie sich wohl am besten interpretieren. „Steht Deutschland vor der Wirtschaftskrise?“, wurde auf dem Podium durchaus konträr und mit offenen Worten erörtert. Das alles weil sich Schindler einmischt, der Landshuter Inhaber von ProfessionFIT, Bernhard Schindler.
Als die Talk-Runde auf dem Podium Platz nahm, wurde sogar Ergoldings Bürgermeister Andreas Straß zum Autogrammjäger für das Goldene Buch der Marktgemeinde. Bernhard Schindler lud Trigema-Inhaber Wolfgang Grupp, Börsenexperte Dirk Müller, den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Dr. Werner Weidenfeld, den ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten Dr. Walter Döring, den AutoScout24-Gründer Prof. Dr. Tobias Kollmann und den Ökonom Prof. Dr. Peter Bofinger in den Ergoldinger Bürgersaal. Als Moderator konnte er den Autor und Unternehmensberater Jon Christoph Berndt gewinnen.
Ob uns die Banken und Klimakatastrophe droht, wollte Jon Christoph Berndt wissen. Börsenexperte Dirk Müller kann zwar dazu auch nicht in die Kristallkugel blicken, „aber die Entwicklung macht mir Sorgenfalten“ räumte er ein. Sorgenfalten „weil wir eine Hysterie erleben, wie gegen das Auto vorgegangen wird. Das Auto stellt für Müller den größten Exportfaktor für Deutschland dar und „es gibt kein Land in dem so aggressiv gegen das Auto agitiert wird“.
Dass es nach einem so langen Aufschwung eine Rezession geben kann, nannte Dirk Müller „völlig normal“ Doch die Rezession trifft jetzt auf einen Handelskrieg zwischen den USA und China. „Es geht um die wirtschaftliche Weltmacht in der Wirtschaft.
Trigema Chef Wolfgang Grupp hatte dazu eine andere Sichtweise: „Wir müssen das Wachstum in Europa anders sehen, als nur in Stückzahlen und Produktivität.“ Dass die Manager von Mercedes Benz damals Chrysler kauften, stellt für ihn einen absoluten Schwachsinn dar. Da haben hochbezahlte Vordenker in eine kaputte Firma investiert, nur weil Mercedes auf dem Weltmarkt immer größer werden wollte. Heraus kam ein Fiasko, das Unmengen an Geld vernichtete.
Trigema-Chef Wolfgang Grupp
Was den Umstieg auf Elektroautos anbelangt, erinnerte sich Grupp zurück an die autofreien Sonntage in den 70ern. „Damals habe ich schon benzinfreie Autos gefordert“. Auch er hat als Unternehmer schon viele Krisen erlebt. „Eine Rezession ist ganz normal, man muss sich als Unternehmer nur darauf vorbereiten.“
Auch zur aktuellen amerikanischen Politik und zur Person von Donald Trump gab von Wolfgnag Grupp deutliche Worte. Es kann nicht sein, dass der Milliardär Trump sechsmal eine milliardenschwere Insolvenz hingelegt hat und dann auch noch Präsident der Vereinigten Staaten wird. Grupp klagte hier die Eigenverantwortung von Managern ein, die Firmen in den Ruin treiben, das Personal dafür büßen lassen und die Manager selbst dafür nicht belangt werden können.
Grupp sieht sich als Chef von Trigema in der Eigenverantwortung. Er hat sein Unternehmen auch in schlechten Zeiten auf Kurs gehalten, ohne einen Mitarbeiter zu entlassen. Ganz im Gegenteil, er gibt allen Kindern seiner Mitarbeiter eine Ausbildungsgarantie und sie alle haben die Chance in Führungspositionen aufzusteigen.
Wie es mit deutschen Unternehmen weiter gehen soll, wenn der „Alte“ sich zur Ruhe setzt, stellt für Wolfgang Grupp kein Problem dar. Denn: „Die Kinder müssen stolz auf das sein, was ihr Vater erreicht hat. Wenn das so nicht ist, sind die Eltern Versager. Die Kinder müssen sagen, das was der Papa macht, das will ich auch machen.“ Dazu gehört es laut Grupp auch dazu, den Kindern etwas zuzutrauen und ihnen etwas machen zu lassen.“
Grupp (77) denkt selbst noch nicht ans aufhören. Die Motivation liegt für ihn nicht darin „Geld zu zählen, sondern von den Kindern gebraucht zu werden“.
Ökonom und Professor für Volkswirtschaftslehre Peter Bofinger
Prof. Dr. Peter Bofinger brachte dazu eine kurze Analyse in die Runde ein. „China war der Wirtschaftsmotor unserer Autoindustrie, aber jetzt kaufen sie unsere Benziner und Diesel nicht mehr, den China steht auf Elektro.“ So hat es Deutschland auch versäumt in die Batterietechnik zu investieren. „Die Zellen kommen jetzt aus China zu uns, die 40 Prozent der Wertschöpfung eines Elektroautos ausmachen.Bofinger empfahl in Deutschland "verstärkt auf Wasserstofftechnik zu setzen".
„Es gibt nie schlechte Zeiten für gute Ideen“ antwortete AutoScout24-Gründer Prof. Dr. Tobias Kollmann auf die Frage, ob er jetzt ein Unternehmen gründen oder lieber warten wolle. Tatsache ist, dass sieben der zehn weltweit wertvollsten Digitalunternehmen aus Amerika stammen. Deutschland kommt dabei nicht vor. „Wir sind ein realer Fliegenschiss auf der digitalen Weltmarktkarte“, kritisierte Kollmann die Entwicklung.
Prof. Dr. Tobias Kollmann gehört zu den 50 wichtigsten Köpfen der Startup-Szene in Deutschland.
Die Quittung kommt, wenn digitales Fahren in Fahrt kommt. „Wer soll das bieten?, fragte Kollmann, „jene die das Blech bauen, oder die, die Digitales bauen?“ Für Kollmann steht fest: Die digitale Wirtschaftskrise ist schon da.
Dr. Walter Döring berichtete über seine Erfahrungen bei der Anreise in den Bürgersaal. „Wenn ich von Schwäbisch Hall nach Ergolding fahre, fliege ich immer wieder aus dem Funknetz raus. Da haben wir einen Nachholbedarf.“ „Wir sind träge und satt geworden“, kommentierte Döring die Situation. „Jetzt haben wir eine Herausforderung.“ Das veranlasste Prof. Dr. Dr. Werner Weidenfeld zur Forderung „eine Schule des strategischen Denkens zu gründen.“
Prof. Dr. Dr. Werner Weidenfeld: Politikwissenschaftler und Politikberater.
„Wir sind von der Autoindustrie abhängig und haben das nie verändert“, stellte Börsenexperte Dirk Müller fest. „Während in anderen Ländern Kinder das Programmieren lernen, haben wir nicht einmal die Lehrer dazu. Wir haben keine Strategie und hoffen, dass wir irgendwie überleben können“, so Dirk Müller.