Bayern - pm (05.08.2020) Für den Bayerischen Philologenverband (bpv) ist die heute vorgestellte IFO-Umfrage zum ‚Lernen zuhause‘ während Corona einerseits eine Bestätigung der Erfahrungen vieler Lehrkräfte in Bayern, andererseits hält er die Umfrage für zu undifferenziert, um daraus valide Schlüsse für das kommende Schuljahr zu ziehen.
Michael Schwägerl (Foto) , der Vorsitzende des bpv, kommentiert: „Selbstverständlich war die Lernzeit zuhause kleiner als die Präsenzzeit vor den Schulschließungen, denn Schule ist eine Pflichtveranstaltung an einem festen Ort mit festen Zeiten.
Diese jetzt mit dem selbstgesteuerten ‚Lernen zuhause‘ während eines völlig unerwarteten Ausnahmezustands zu vergleichen, wird den Leistungen der Schülerinnen und Schüler und ihrer Lehrkräfte nicht gerecht. Das eigenständige Erarbeiten von Inhalten ohne Lehrkraft erfordert ein hohes Maß an Motivation, Eigenverantwortung und Selbstdisziplin. Gerade in der Pubertät sind solche Begriffe Reizwörter. Es ist auch allen klar, dass ein Kinderzimmer kein Klassenzimmer ist, Eltern keine Lehrer sind und Distanzunterricht den Präsenzunterricht nicht ersetzen kann. Und natürlich – das sind unsere Erfahrungen ganz ohne Studie – war der Lernfortschritt während der Zeit der Schulschließungen nicht so groß wie vorher. Darauf wurde ja auch im Hinblick auf Leistungserhebungen und Prüfungen Rücksicht genommen.“
Das größte Manko der Studie ist nach Ansicht von Schwägerl aber der undifferenzierte Blick auf das Schulwesen: „Weder differenziert die Umfrage nach Altersgruppen noch – aus unserer Sicht die größte Schwachstelle – nach Schularten. Beispielsweise sind drei Stunden selbstgesteuertes Lernen bei einem achtjährigen Grundschulkind eine andere Dimension als bei einem achtzehnjährigen Schüler eines Gymnasiums oder einer Beruflichen Oberschule. Und wenn Eltern bemängeln, dass es zu wenig Kontakt zu den Lehrern gegeben hat, dann muss auch hier differenziert werden, denn an Grund- und Mittelschulen ist das Klassenlehrerprinzip vorherrschend. Hier wird die Betreuung der Schülerinnen und Schüler durch ‚ihre‘ Lehrkraft natürlich eine andere sein als beispielsweise an den Gymnasien, wo das Fachlehrerprinzip gilt und jeder Lehrer sechs bis acht Klassen mit im Durchschnitt 25 Schülerinnen und Schülern zu betreuen hat. Dies wird in der Umfrage leider nicht thematisiert. Aus unserer Sicht handelt es sich bei dieser Umfrage um eine vertane Chance ohne signifikanten Erkenntnisgewinn.“