Landshut (26.06.2018) Der bezahlbare Wohnungsmarkt ist in Landshut kaum bis gar nicht vorhanden, so der Grundtenor in der Expertenrunde zum Thema "Wohnen und Leben in Landshut", zu der die Landshuter Landtagsabgeordnete Ruth Müller, gemeinsam mit ihrem Kollegen aus Bayreuth, Dr. Christoph Rabenstein eingeladen hatte. Ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung wäre die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, darin waren sich Johanna Behrens von der Diakonie Landshut, Mietervereins-Vorsitzender Josef Biersack und der ehemalige DGB-Vorsitzende Hans-Dieter Schenk einig.
Als stellvertretendes Mitglied der vor mehr als drei Jahren eingesetzten Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags für "Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land" stellte Müller gemeinsam mit Dr. Christoph Rabenstein, der den stellvertretenden Kommissionsvorsitz inne hatte, den Abschlussbericht vor, bei dem das Thema Wohnen und Wohnungsbau von zentraler Bedeutung ist. Die Kommission bestand dabei nicht nur aus Politikern, sondern profitierte auch von der Kompetenz und dem Fachwissen zahlreicher Verbände, Vereine und Experten, ein Beleg für die gründlich recherchierten, verifizierten und fundierten Handlungsempfehlungen des Abschlussberichts.
Grundlage dieses Berichts sei das generell bemerkbare Auseinanderdriften in räumlicher und gesellschaftlicher Hinsicht, so Dr. Christoph Rabenstein. "Während der Druck in Ballungsgebieten wie München und Landshut hinsichtlich Wohnungsmarkt und Infrastruktur stetig wächst, entleeren sich andere Gebiete Bayerns förmlich" erklärte der SPD-Landtagsabgeordnete. Bettina Blöhm, SPD-Vorsitzende für den Kreis Freyung-Grafenau konnte dieser Beobachtung auf Grundlage der prekären Arbeitsmarktlage im ländlichen Niederbayern nur zustimmen: "Irgendwann wird einem das Pendeln zu viel und man zieht der Arbeit hinterher", so ihr wenig optimistisches Fazit. Um genau solchen Entwicklungen vorzubeugen beziehungsweise ihnen wirksam zu begegnen, wurde die Kommission eingesetzt. Dabei bedeute "gleichwertig" nicht "gleichartig", erklärte Rabenstein sondern "Chancen dort, wo man aufwächst".
Zur Chancengleichwertigkeit gehört auch der bezahlbare Wohnraum, von dem es in Landshut deutlich zu wenig gibt, da rund die Hälfte der Neubauten aus teuren Eigentumswohnungen bestünde, so Josef Biersack, Vorsitzender des Landshuter Mietervereins. "Der aktuelle Landshuter Mietspiegel weißt einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 6,84 Euro nach. In der Realität hat man allerdings Glück wenn man Wohnraum zu 11 Euro pro Quadratmeter bekommt - und selbst hier stehen die Wohnungssuchenden Schlange" macht Biersack den Ernst der Lage klar. In den nächsten zwei bis drei Jahren würden rund 600 - bezahlbare - Wohnungsneubauten benötigt, um dem Bedarf ansatzweise gerecht zu werden. Für Josef Biersack ist die Sachlage eindeutig: "In Landshut gibt es keinen bezahlbaren Wohnraum".
"In den letzten 30 Jahren ist in Sachen sozialer Wohnungsbau in Landshut nichts mehr geschehen" macht der ehemalige DGB-Vorsitzende Hans-Dieter Schenk klar. Es könne nicht sein, dass man über ein Drittel seines Einkommens für die Miete aufwenden müsse, wobei dies längst nicht mehr alleiniges Problem sozial und finanziell schwächer Gestellter sei. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum sei längst in der Mittelschicht angekommen. Deshalb setzt sich Schenk für das Bürgerbegehren zur Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft ein. "Landshut ist die einzige Stadt Niederbayerns in der Größe, die über keine städtische Wohnungsbaugesellschaft verfügt", bemängelt er und zeigt sich erschüttert ob der Tatsache, dass der Stadtrat bis heute keinen Handlungsbedarf sieht.
Johanna Behrens von der Diakonie sieht die Probleme des Wohnungsmangels vor allem bei alleinerziehenden Müttern täglich mit eigenen Augen. Um den grundsätzlichen Lebensunterhalt bestreiten zu können und sich gleichzeitig um die Kinder kümmern zu können, arbeiten viele Frauen in Teilzeit, wobei hier meist noch ein bis zwei Nebentätigkeiten hinzukommen. Bei Krankheit oder Jobverlust jedoch breche dieses fragile System schnell zusammen. Um Mietkosten zu sparen, zögen viele auch in den Landkreis ab, jedoch benötige man hier zur Gewährleistung der Mobilität ein Auto, was wiederum neue finanzielle Probleme schaffe.
Die europapolitische Sichtweise wurde durch Isamil Ertug, MdEP vertreten. Wohl falle das Thema Wohnen zwar unter die jeweilige Landeskompetenz, jedoch gäbe es auch europaweite Förderprogramme, wobei nach Vollzug des Brexits über die künftige Höhe des Förderbudgets nur spekuliert werden könne.