Stadtrat Stefan Gruber: "Auch juristisch wäre eine Stadtratsentscheidung im Sinne des Antrags mehr als fragwürdig." - Foto: W. Götz
Landshut - pm (29.10.2020) Die grüne Fraktion begrüßt die Absetzung des Extremismus-Antrags von der Beratung des Plenums am 23. Oktober. Dieser Antrag ist aus der Sicht der grünen Fraktion politisch wie juristisch mehr als fragwürdig.
Der Antrag "Klares Statement gegen Extremismus" wurde durch die Stadträte Rudolf Schnur für die CSU/LM/JL/BfL-Fraktion; Stadtrat Robert Neuhauser (BP); Stadtrat Christian Pollner (JW); Stadtrat Jürgen Wachter, Stadträtin Kirstin Sauter (FDP); Stadtrat Dr. Stefan Müller-Kroehling, Stadträtin Elke März-Granda (beide ödp) am 15. September gestellt.
Die politische Wirkung dieses Antrags würde wichtige Akteure der Stadtgesellschaft ausgrenzen, wie deren massives Echo in der letzten Woche deutlich macht. DGB, CBW, SJR, "Weltladen" und Haus International haben als wichtige Mitveranstalter auf die Gefährdung der "Interkulturellen Wochen" hingewiesen - einer Veranstaltungsreihe mit jahrzehntelanger Tradition in Landshut, um die uns andere Städte wegen ihres integrations- und gemeinschaftsfördernden Erfolgs beneiden.
Dass diese Gefährdung real ist, zeigt ein Vorgang aus den Jahren 2004/2005, der damals zur Absage der interkulturellen Wochen geführt hat. Zugrunde lag ein vergleichbarer Vorstoß der CSU-Stadtratsfraktion. Im Jahr 2005 hat der Stadtrat dann, seine Entscheidung wohl teilweise korrigiert, so dass die Veranstaltung wieder unter Teilnahme auch des VVN - Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - stattfinden konnte. Wer nach solchen Erfahrungen heute erneut einen derartigen Vorstoß unternimmt, setzt damit ein verheerendes politisches Signal.
Auch juristisch wäre eine Stadtratsentscheidung im Sinne des Antrags mehr als fragwürdig. Erstaunlicherweise äußern sich weder die Antragssteller*innen noch die Verwaltung dazu, dass der Antrag in die im Artikel 21 der Gemeindeordnung gesetzlich formulierten Rechtspositionen der betroffenen Organisationen eingreift. Geschweige denn dazu, ob ein solcher Eingriff durch das Antragsziel gerechtfertigt ist. Diese Fragen sind aber hochkomplex: sie sind noch nicht einmal alleine anhand der Bayerischen Gemeindordnung zu lösen, sondern bedürfen primär verfassungsrechtlicher Betrachtung.
Aus der Sicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht sehr viel für die Rechtswidrigkeit des Antragsziels: Grundsätzlich haben ja Landshuter Verbände im Rahmen der Gleichbehandlung Anspruch auf Benutzung städtischer Einrichtungen. Die "Erwähnung" im Verfassungsschutzbericht hebt diesen Anspruch nicht auf. Dies passiert nur, wenn Organisationen tatsächlich als verfassungswidrig eingestuft werden. Gerade die Rechtsprechung, auf die der Antrag sich bezieht, stellt aber klar, dass eine "Erwähnung" nur eine Vermutung darstellt, die noch dazu widerlegbar ist. Fazit: wenn die Stadt im Sinne des Antrags Organisationen ausschließen will, muss sie deren Verfassungswidrigkeit konkret nachweisen. Gerade im Hinblick auf das jahrzehntelange gute Miteinander mit diesen Organisationen dürfte dieser Nachweis schwerlich gelingen.
Um die aus Sicht der Grünen offenen und teilweise sehr komplexen Fragen bis zur weiteren Behandlung im Stadtrat beantwortet zu bekommen, wurde eine Verfahrensantrag mit konkreten Fragestellungen gestellt.
Antrag
Nötige Informationen zur Beratung des Antrags Nr. 92 "Klares Statement gegen Extremismus"
Der Stadtrat möge beschließen:
Die Verwaltung möge für die Beratung folgende Informationen und gutachterliche Beurteilungen vorbereiten:
1. Eine inhaltliche Begründung für Ihre Befürwortung des Antrags,
2. Die Vorlage der einschlägigen Beschlusslage des Landshuter Stadtrats zu einem Präzedenzfall aus den Jahren 2004/2005, als bereits einmal die interkulturellen Wochen ausgefallen sind,
3. Eine Auflistung, welchen Landshuter Organisationen, Vereinen oder Verbänden aktuell die Benutzung von Städtischen Liegenschaften verwehrt wird,
4. Eine Beurteilung und Auflistung, welche Landshuter Organisationen nach heutigem Stand gemäß dem Antrag von der Benutzung städtischer Liegenschaften ausgeschlossen werden müssen,
5. Eine juristische Beurteilung zu Art 21 Gemeindeordnung ("Anspruch von Gemeindebürger/innen bzw. Verbänden auf Nutzung städtischer Einrichtungen") und speziell zu folgender Frage: Kann dieser Anspruch wirklich durch eine "Erwähnung" im Bayr. Verfassungsschutzbericht eingeschränkt werden? Daran bestehen erhebliche Zweifel, da die "Erwähnung" nur eine "widerlegbare Vermutung" der Verfassungswidrigkeit beinhaltet (Bayr. Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom07.02.2018, RN 21)
6. Eine allgemeine Einschätzung in Bezug auf die durch Landshuter Organisationen (DGB, CBW, Haus International, Stadtjugendring, Weltladen) geäußerten Bedenken und deren Kritik.
Begründung:
Die befürwortende Vormerkung der Verwaltung zum Antrag 92 (interfraktionell) enthält keinerlei Begründung außer der Bemerkung "nach interner Abstimmung mit den zuständigen Referaten befürwortet". Auch die weiteren beantragten Informationen erscheinen für eine qualifizierte Beratung der Thematik erforderlich.
gez.:
Pascal Pohl, Stefan Gruber und Iris Haas
Stadträte der Grünen)