Denen, die in den Bundestag wollen, auf den Puls fühlen, wer steht für was, wer drischt nur Phrasen und wer hat was auf der „Platte". Es gehört in Landshut seit Jahren zum festen Programm der „Alten Kasernen" vor der Wahl zum Deutschen Bundestag die Bewerber einzuladen, sie mit Fragen zu sticheln und kurze, prägnante Antworten zu fordern. So auch am vergangenen Mittwoch mit sieben Kandidaten vor gut 130, überwiegend jugendlichen Zuhörern, die in der Veranstaltung auch selbst zu Akteuren werden.
Martin Mezger, Hausherr der „Alten Kaserne", war selbst überrascht über den gewaltigen Besuch, „der wohl einen Stau auf der Konrad-Adenauer-traße ausgelöst hat". In Zusammenarbeit mit dem Stadtjugendring organisiert er alle fünf Jahre diese Veranstaltung.
Angetreten zur „Landshuter Elefantenrunde" sind die Bundestagsbewerber Florian Oßner (CSU), Harald Unfried (SPD), Dr. Thomas Gambke (B90/Die Grünen), Markus Sponbrucker (FDP), Reinhard Zisler (Die Linke), Matthias Zehe (Piraten) und Stefan Zellner (ÖDP). Nur Christan Hanika von den Freien Wählern blieb der Diskussion fern. Die Moderation übernahm der freie Jornalist Christian Muggenthaler.
Die Wächter der Uhr und der Glocke.
Die Regeln zur Frage und Antwort-Runde sind schnell beschrieben. Jeder Kandidat hat auf jede Frage eine Minute Zeit, seine Position zu artikulieren, wer länger plaudert, wird mit einem Glöckchen sanft zum Aufhören aufgefordert. Und schon begann der Schlagaubtausch.
Braucht das Internet Regeln?
Für Florian Oßner soll das weltweite Netz kein rechtsfreier Raum sein, Urheberrechte müssen gewahrt bleiben, während Harald Unfried schon konkreter wurde: „Ohne Regeln geht es in keinem Bereich, aber die Netzneutralität muss gewahrt bleiben, alle Daten müssen gleich behandelt werden, es darf kein Zwei-Klassen-Internet geben und der freie Zugang ist zu sichern. Dr. Thomas Gambke plädierte: „Wir dürfen Jugendliche bei downloads nicht kriminalisieren", während Matthias Zehe für besseren Breitbandanschluss und freies WLAN eintrat. Markus Sponbrucker sieht die Freiheit des Internets nur soweit, wo die Freiheit des anderen beginnt und wünscht sich bessere download-Warnungen. Für Reiner Zisler steht im Vordergrund die Abmahnhysterie von Anwaltskanzleien zu begrenzen, vor allem bei Tauschbörsen und die Telekommunikationsnetze müssen in staatliche Hand zurückgeführt werden. Für Stefan Zellner muss schnelles Internet selbstverständlich werden. Zur Wahrung von Urheberrechten bringen einzelne Gesetze in Deutschland nichts.
Wie denn Daten vor fremden Zugriffen, wie der NSA, geschützt werden können?
Für Harald Unfried steht hier die Bundesregierung in der Pflicht, die 100 Tage nach Bekannt werden der Bespitzelungen die Bevölkerung noch nicht ausreichend informiert hat und auch keine Schutzmöglichkeiten anbietet. Daher fordert er, dass die Bundesrepublik mit den USA keine weiteren Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen führen soll, um so Druck auszuüben. Martin Sponbrucker möchte diesbezüglich die Beziehungen zu den USA nicht gefährden. Für Dr. Gambke steht fest, dass hier durch Kanzlerin Merkel nicht reagiert wurde, obwohl es zu tiefen Eingriffen in die Datenfreiheit kam. Sogenannte Wistleblower müssten auch rechtlich geschützt werden. Matthias Zehe kritisierte dazu den Deutschen Verfassungssschutz, der das Briefgeheimnis nicht schützt. Florian Oßner meinte, dass dazu die Gesetze 2001 durch die rot-grüne Regierung geschaffen wurden, was Harald Unfried sofort zurückwies: „Es wurde nie ein flächendeckender Datenabgriff beschlossen. Die Amerikaner müssen uns aufklären, welche Daten abgeschöpft wurden." Reiner Zisler nannte das alles eine scheinheilige Diskussion. Er möchte wissen, was die Geheimdienste davon wussten.
Vor allem junge Zuhörer waren zu Gast in der "Alten Kaserne".
Welche technischen Möglichkeiten gibt es, sich davor zu schützen?
Für Dr. Thomas Gambke muss das Briefgeheimnis gewahrt bleiben, auch wenn eine E-Mail von Landshut nach Regensburg über Amerika geht. Dazu müssen wir die Datenwege kennen.
Thema Europapolitik:
Florian Oßner gab zu verstehen, ganz klar hinter dem Europäischen Sozialpakt zu stehen. Harald Unfried geht das nicht weit genug. Denn die Rettungspolitik, wie im Fall Griechenland, saniert nicht. Das Sparen gehe letztendlich nur an den kleinen Leuten aus, während die Schulden gleich bleiben. Wichtige wäre es, Wachstumsimpulse für die verschuldeten Länder zu schaffen. Zudem müssen die Banken als Verursacher mit einer Finanztransaktionssteuer in die Verantwortung genommen werden. Dr. Thomas Gambke argumentierte mit Zahlen. Während in Deutschland die Schulden um 500 Millionen Euro stiegen, wuchsen die privaten Vermögen um eine Milliarde Euro. Daher müssen die Vermögenden beim Schuldenabbau in die Pflicht genommen werden. Stefan Zellner wünscht sich, dass eine Möglichkeit zum Ausscheren aus dem Euro möglich gemacht wird. Florian Oßner verwies auf den Schuldenabbau in Deutschland und dass durch die Landesbankrettung vor allem die Sparer geschützt wurden.
Harald Unfried (SPD): Kurz und prägnat im Minutentakt
Harald Unfried kam dagegen wieder konkreter auf die europäische Schuldenkriese zurück. So würden viele Griechen darunter leiden, dass die Ausgaben in das Gesundheitswesen durch die Troika auf sechs Prozent reduziert wurden. Darunter haben viele Griechen zu leiden. Abermals forderte er, dass die Verursacher der Krise in die Pflicht genommen werden müssen.
Was gibt es sonst noch für Möglichkeiten außer einer Finanztransaktionssteuer?
Harald Unfried warnte mit einem Blick in die Zukunft, dass wir uns vor der nächsten Blase schützen müssen, damit nicht wieder der kleine Steuerzahler die Zeche zahlt. Dazu solle der Bankenabwicklungsfond eingeführt werden und die Spekulationscasinos müssen geschlossen werden. Dr. Thomas Gambke kritisierte hier abermals die Merkel-Regierung, die bisher nichts unternommen habe, sondern vor den Banken gekniffen hat.
Eurobonds:
Euro-Bonds fordert Harald Unfried nicht, er möchte viel lieber seriös finanzierte Haushalte, eine Vermögenssteuer, Börsensteuern und eine Finanztransaktionssteuer. „Wer mehr als zwei Millionen hat, der soll mehr bezahlen!" Reiner Zisler wünscht sich dagegen eine Einmalabgabe von Superreichen in einer Gesamthöhe von 300 Milliarden Euro.
Energiewende:
Ein Raus aus der Kernenergie ist für Reiner Zisler unabwendbar und auch auf Kohlekraftwerke müsse langfristig verzichtet werden. Für kleine Haushalte solle es Finanzboni zum Energieeinkauf geben. Stefan Zellner kritisierte, dass der Strompreis nur beim Verbraucher steigt, aber nicht für die Industrie. Auch müsse dem permanenten Verbrauch von Ressoursen Einhalt geboten werden. Harald Unfried forderte, die Stromsteuer um 25 Prozent zu reduzieren und die Ausnahmen in der Wirtschaft zu senken, damit die Strompreise nicht weiter steigen. Mehr Speicherkapazität für regenerativen Strom regte Markus Sponbrucker an.
Kontroverse vorprogrammiert: Dr. Thomas Gambke (B90/Die Grünen) und Florian Oßner (CSU)
Dr. Thomas Gambke verlangt nach mehr Planbarkeit und mehr dezentrale Energieerzeugung für die Energiewende. Zu Florian Oßner gerichtet meinte er: „Sie werden das Windrad in Geisenhausen nicht bekommen, weil Horst Seehofer die Abstandsgrenzen neu gesetzt hat." Florian Oßner konterte an die Adresse von Dr. Gambke, die Grünen verhindern, wie z.B. beim Pumpspeicherkraftwerk bei Passau, Speichermöglichkeiten für Strom, was Gambke nicht auf sich sitzen ließ: „Wir wollen einen Ausgleich zwischen Energie und Natur" und fügte an, Horst Seehofer habe in Bayern quasi ein Verbot für Windkraft geschaffen.
Vermögenssteuer:
Eine Vermögenssteuer beantwortet Harald Unfried mit einem ganz klaren „Ja". Zum einen muss die Mittelschicht entlastet werden und geringer Verdienende, die ebenfalls große Arbeitsleistungen erbringen, müssten gerechter entlohnt werden. Matthias Zehe will den Staat stärker in die Pflicht nehmen, der stärker bei sich selbst sparen muss und mit seinem Geld auskommen muss.
Adoptionsrecht von nicht heterosexuellen Paaren:
Florian Oßner führte an, dass das Adoptionsrecht bei uns sehr streng ist. Für ihn steht die Bevorzugung von Ehe und Familie klar im Vordergrund. Daher komme die komplette Gleichstellung für ihn nicht in Frage.
Betreuungsgeld – Wahlfreiheit zwischen häuslicher Betreuung und Kita:
40 Prozent der Kinder sind in alleinerziehenden Situationen, so Dr. Thomas Gambke. Daher wollen wir mit Kitas den Kindern die Möglichkeit geben, mit sozialen Kontakten aufzuwachsen.
Publikumsfrage: Sind Kinder nicht besser bei Mama und Papa aufgehoben?
Harald Unfried stellte fest, dass es echte Wahlmöglichkeiten zwischen Familie und Kita nur dann gibt, wenn genügend Kitaplätze vorhanden sind. Zudem möchte er die Betreuungskosten für Kinder zu 100 Prozent ersetzt wissen. Florian Oßner rechnete vor, dass Bayern eine 100prozentige Deckung bei Kitaplätzen habe, aber die SPD-Ballungszentren wie München und Nürnberg ein großes Defizit haben. Auf keinem Fall will Stefan Zellner die Betreuung in Familien als rückständig bezeichnen. Dr. Thomas Gambke nannte es schön, eine Großfamilie zu haben, aber das entspreche nicht mehr der Wirklichkeit, da Vater und Mutter oft arbeiten müssten, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Auch Harald Unfried stellte fest, dass die Familien nicht mehr so funktionieren, wie vor 30 bis 40 Jahren, als die Mutter zur Erziehung der Kinder zu Hause sein konnte und unterstrich nochmals die Kostenfreiheit von Kitaplätzen.
Wessen Argumente überzeugen mehr? Das Publikum konnte spontan abstimmen
Ausreichende Betreuungsplätze scheitern am Personal:
Daher will sich Dr. Thomas Gambke für eine gerechte Bezahlung von Erziehern einsetzen.
Publikumsfrage: Ich bin alleinerziehend. Was haben Sie für mich?
Wir wollen beides fördern, die Erziehung in der Familie und in der Kita, so Florian Oßner. Bei Alleinerziehenden, kann auch ein Familienmitglied für die Mutter einspringen.
Was tun Sie für die Förderung der Infrastruktur und die B15 neu?
Dr. Thomas Gambke gab zu bedenken, dass Hof umzingelt von Autobahnen sei, aber die höchste Arbeitslosigkeit in Bayern aufweise. Den Bau der vierspurigen B15 neu nannte er einen wirtschaftlichen Blödsinn. Florian Oßner bezeichnete dagegen Straßen als Entwicklungsachsen und daher müssen sowohl Ortsumfahrungen, als auch die B15 neu kommen.
Mindestlohn:
Die SPD setzt sich für einen flächendeckenden Mindestlohn ein, der besser mit 10 Euro als 8,5 Euro vergütet werden muss, so Harald Unfried. Denn wer Vollzeit arbeite, soll davon auch leben können. In die Tarifautonomie möchte Markus Sponbrucker lieber nicht eingreifen, aber auch für ihn muss Arbeit gerecht entlohnt werden. Matthias Zehe sieht einen Mindestlohn von 9,03 Euro nur als Zwischenlösung an und setzt sich für das bedingungslose Grundeinkommen ein. Steffan Zellner gab beim Mindestlohn noch etwas darauf. 11 Euro sollen es sein, damit das eine Rente von 850 Euro ergibt. Für Reiner Zisler sind 8,50 Euro Mindestlohn schon wegen der zu geringen Rente nicht akzeptierbar. Daher soll die Vergütung auf 12 Euro anwachsen. 8,50 Euro Mindestlohn sind für Dr. Thomas Gambke mit Augenmaß gewählt. Und Mindestlöhne müssen flächendeckend eingeführt werden.
Florian Oßner führte an, dass unter Kanzlerin Merkel in elf Branchen ein Mindestlohn eingeführt wurde. Die Zahl „Elf" stieß dabei auf allgemeine Verwunderung im Saal. Auch als Oßner meinte, die CSU habe beim Donauausbau und bei den Studiengebühren Probleme klar gelöst, konnten sich zahlreiche Zuhörer ein lautes Lachen nicht verkneifen.