Vilsbiburg - pm (08.10.2019) Rund eineinhalb Jahre hat Dr. Kristin Kastner die Wanderung der Nigerianerinnen von ihrer Heimat Nigeria bis nach Europa betrachtet und hat in Andalusien, Marokko und am Ende sogar in Nigeria geforscht. Ihre Ergebnisse hat die Ethnologin, auf Einladung der Landkreis-Integrationslotsin Andrea Ideli, während eines Vortrages in der vhs Vilsbiburg vorgestellt. - Während ihrer Forschung hat Kastner verschiedene Frauen, besonders die, die der Volksgruppe der Edo (aus Benin-Stadt) entstammen, kennen gelerntt. Zu Beginn erklärte Kastner, dass die Migration in vielen Ländern und Kulturen schon eine sehr alte Tradition hat, so auch in Nigeria.
Die innerkontinentale Migration ist bereits Gang und Gäbe, im Zuge der Globalisierung führen die Wege zum Teil mittlerweile bis nach Europa. Eine Besonderheit dabei ist, dass nun vielfach einzelne Personen, darunter viele Frauen, anstelle von Gruppen migrieren. Deshalb erreichen viele Einzelkämpferinnen Europa, unter denen aber wenig Solidarität besteht.
Somit ist nicht zwingend ein Krieg oder kriegsähnliche Situationen im Land selbst der Grund der Wanderung. Neben dem geschichtlichen Hintergrund ist der Weg immer mit der Hoffnung auf ein besseres Leben verbunden: In der nigerianischen Millionen-Stadt Benin City wie auch im ganzen Land herrscht ein extremes Gefälle zwischen Arm und Reich. Besonders Frauen können oft nicht lange die Schule besuchen, da sie früh in das häusliche und familiäre Leben miteinbezogen werden. So besitzen die Frauen zwar wenig formale Bildung, verfügen dafür aber über einen sehr starken Überlebenswillen und Kampfgeist.
So machen sich viele auf den Weg über die Nachbarländer Nigerias durch die Wüste bis nach Marokko und von dort nach Spanien. Auf diesem Weg müssen sich die Frauen an die Regeln des einzelnen Gebiets anpassen. Entsprechend haben die Frauen ihren Körper ebenso wie ihre Kinder als Ressource entdeckt. Der Körper dient als Kapital, berichtet Kastner. Die Reise nach Europa ist sehr teuer, die Frauen kommen meist verschuldet in den einzelnen Ländern an. Prostitution ist ein Mittel, um schnell an Geld zu kommen. Kastner machte hier aber deutlich, dass die Frauen selbst sich nie als Prostituierte bezeichnet, sondern immer davon gesprochen haben, dass sie in dem Bereich der Prostitution arbeiten. Die Frauen entwickeln je nach Lebenslage entsprechende Taktiken um zu überleben und in ihrer Reise weiter zu kommen.
Die Migration der Frauen ist auch ein äußerst lukratives Geschäft für verschiedenste Gruppen sowohl in den Heimatländern als auch in Europa. So berichtete die Ethnologie noch von der Rolle des Glaubens in Nigeria, wo besonders der Voodoo-Kult eine wichtige Rolle spielt. Die Frauen leisten vor der Abreise einen Schwur. Die Angst führt letzten Endes auf der Reise dazu, dass die Frauen alles tun um die Schulden abzubezahlen: eben auch sich zu prostituieren. Jedoch sehen sich die Frauen selbst nicht als Opfer, sondern immer in einer Rolle der Dankbarkeit: Sie dürfen nach Europa reisen.
Bildunterschrift: Die Meerenge von Gibraltar ist einer der Sehnsuchtsorte für die Migrantinnen – dann haben Sie den langen Weg nach Europa geschafft. (Bild: Dr. Kristin Kastner)