Niederbayern - pm (06.11.2020) Viele Heilbäder in Niederbayern können ihre laufenden Kosten nicht decken. Bereits seit Jahren setzt sich die SPD deshalb dafür ein, dass Krankenkassen mehr Vorsorgeleistungen übernehmen. Derzeit wird im Bundesgesundheitsministerium ein neuer Gesetzentwurf erarbeitet, durch den unter anderem aus Ambulanten Vorsorgeleistungen statt Ermessensleistungen nun Pflichtleistungen werden sollen. Dies wäre der erste Schritt in die richtige Richtung.
Die meisten Heilbäder vor Ort kämpfen derzeit mir wirtschaftlichen Problemen. Bereits beim Blick auf die Zahlen wird die schlechte Lage deutlich: Von den fünf Heil- und Thermalbädern in Niederbayern kommt nur eines ohne Zuschüsse aus. Insgesamt belaufen sich die Kosten auf fünf Millionen Euro jährlich. „Wir können momentan die laufenden Kosten nicht erwirtschaften“, fast Rita Röhrl, Landrätin des Landkreises Regen und stellvertretende Bezirkstagpräsidentin, die prekäre Situation zusammen. Und auch Rita Hagl-Kehl, SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, sieht akuten Handlungsbedarf: „Die Schließung eines oder mehrerer unserer Heilbäder wäre eine Katastrophe.“
Hatte sich die finanzielle Situation bereits in den letzten Jahren verschlechtert, wirkt die Corona-Krise nun wie ein Katalysator. „Kurzfristige Hilfsgelder und Kostenreduzierungen würden zwar in der aktuellen Lage helfen“, sagt Andreas Winterer, Fraktionssprecher der SPD im Bezirkstag Niederbayern. Allerdings besteht ein grundsätzliches Problem abseits der Corona-Pandemie. „Aktuell übernehmen die Kassen weniger Leistungen als früher und selbst große Firmen ermöglichen langjährigen Mitarbeitern kaum noch zusätzliche Kuraufenthalte“, so Winterer. Mit dem neuen Gesetzentwurf, der gerade beim Bundesgesundheitsministerium in Arbeit ist, kann nun der Rahmen geschaffen werden, um die Finanzierung von Kur- und Heilbädern zu verbessern.
Diese sind für das deutsche Gesundheitssystem sowohl in der Rehabilitation als auch in der Prävention ein wichtiger Baustein, um insbesondere stressbedingten Erkrankungen entgegenzuwirken. Laut einer Studie im Auftrag der pronova BKK haben inzwischen mehr als die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer Angst davor, am Burnout-Syndrom zu erkranken. „Präventive Maßnahmen wie Kur- oder Thermalbehandlungen helfen in der heutigen Hochleistungsgesellschaft stressbedingten Erkrankungen vorzubeugen. Davon profitieren nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Wirtschaft und Gesellschaft“, gibt Rita Hagl-Kehl zu bedenken.
Neben der Umwandlung von Ambulanten Vorsorgemaßnahmen in Pflichtleistungen, dürfen aber auch stationäre Aufenthalte als Behandlungsmaßnahmen nicht vergessen werden. Durch eine höhere Kostenübernahme bei wohnortfernen, präventiven Kur- und Heilaufenthalten würde auf der einen Seite die Gästezahl in Heilbädern ansteigen, und auf der anderen Seite Folgeerkrankungen verhindert und so das Gesundheitssystem langfristig entlastet werden.
Der Gesetzgeber hat hierfür bereits durch Paragraph 23 SGB den notwendigen Rahmen geschaffen. In diesen werden ausdrücklich „Medizinische Vorsorgeleistungen“ durch die gesetzlichen Krankenkassen als Anspruch für die Versicherten genannt. „Hier muss angesetzt werden, um für gesetzlich Versicherte mehr präventive Leistungen zu ermöglichen“, schlägt die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl vor.
Auch wurde bereits 2015 mit dem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (PrävG) ein Schritt in die richtige Richtung gemacht. Allerdings gibt es im Alltag noch viele Hindernisse. Besonders bei wohnortfernen Kurbädern werden nicht 100% der Behandlungs- und Anwendungskosten übernommen. Auch für die Unterkunft und Verpflegung muss häufig komplett selbst aufgekommen werden, teilweise wird lediglich ein Zuschuss von bis zu 16 Euro pro Tag gewährt. „Wie sollen Geringverdiener sich so eine Kur leisten können?“ gibt Rita Röhrl zu bedenken.
In Betracht kommen an dieser Stelle auch Kurleistungen für pflegende Angehörige. Durch das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz können Menschen, die viel Zeit und Kraft in die Pflege ihrer Angehörigen stecken, ärztlich verschriebene Kuraufenthalte in Anspruch nehmen. Seit 2019 auch in wohnortfernen Einrichtungen. Es bleibt also abzuwarten, wie weit der endgültige Gesetzentwurf geht. „Wir müssen uns grundsätzlich für die Zukunft die Frage stellen: Sollte man nicht versuchen, Krankheiten durch präventive Maßnahmen zu verhindern, anstatt nur die Symptome zu behandeln“, betont Rita Hagl-Kehl.