„Wann die B15 neu kommt, das wissen die Propheten", diesen Satz sagte vor rund 20 Jahren der ehemalige Bürgermeister von Essenbach, Fritz Wittmann, im Interview. Zwar kommt die Fernstraße voraussichtlich 2019 nach Essenbach, aber wie und wann es in Richtung Süden weitergeht, das wissen derzeit nun die Propheten, um Wittmanns Worte aufzugreifen. Und Propheten gibt es genug, den Innenminister Joachim Herrmann, die pro B15 neu Aktivisten, die Gegner um Gisela Floegel und nun mischen sich auch noch die FDP und Landrat Peter Dreier mit ein.
Foto: Er war ein B15 neu-Prophet, Essenbachs Alt-Bürgermeister Fritz Wittmann
Schon in den 60er Jahren entstanden die ersten Planungen zu der vierspurigen Bundesstraße mit Standstreifen, einer sogenannten „gelben Autobahn". Übrigens: Ursprünglich sollte die A93, also die Autobahn, die von Regensburg zum Autobahndreieck Holledau führt. von Regensburg aus an der A3 in Rosenheim enden. Hätte man damals die A93 auf dieser Trasse gebaut, würde heute niemand mehr über eine B15 neu reden und die B15 neu-Gegner hätte es nie gegeben.
Aus der A93 wurde die B15 neu und die wurde immer teurer
1972 begann dann die Regierung von Niederbayern ein erstes Raumordnungsverfahren für die B15 neu einzuleiten. Also vor 42 Jahren! Der Politik ging es darum, die zu erwartende Verkehrsflut durch die EU-Osterweiterung im Nord-Süd Bereich in den Griff zu bekommen.
Derzeit geht es an den Bau von Ergoldsbach nach Essenbach zur A92. 88,3 Millionen Euro waren für die Strecke im Jahr 2003 veranschlagt. Zu billig errechnete die Autobahndirektion. 118,3 Millionen stehen nun als realistische Zahl an. Was einer Kostensteigerung von 34 Prozent entspricht.
Und wenn es weitergeht, wird es noch viel, viel teurer. Für die Etappe von Essenbach nach Geisenhausen waren 2003 noch 98 Millionen veranschlagt. Die Zahl wurde um 319 Prozent nach oben, auf 312 Millionen korrigiert. Noch viel heftiger fällt die „Geldvermehrung" beim Abschnitt von Geisenhausen nach Velden aus. Plus 746 Prozent! Also von 60 Millionen auf 450 Millionen.
B15 neu Gegner feierten 40jähriges
All das kam natürlich den Gegnern der B15 neu nur zu Gute. Sie hatten dadurch reichlich Pulver zum Spott. Die B15 neu-Gegner hatten heuer auch tatsächlich einen Grund zum Feiern. Die Initiative „Gemeinschaft der Betroffenen und Gegner der Autobahntrasse Regensburg – Rosenheim e. V.". Sie luden zum Festakt zwecks 40jährigen Gründungsfest. Zum Vergleich: Erst im April des vergangen Jahrs kamen die Befürworter auf die Idee, eine Initiative „Pro B15 neu" zu gründen.
Sammelten über 27.000 Unterschriften für die B15 neu mit ihrer Initiative "Pro B15 neu". Von links: Alexander Putz, Dr. Tobias Nickel und Fritz Colesan.
Doch wie und wann geht es weiter von Essenbach in Richtung Rosenheim? Bis vor knapp einem Monat war das ziemlich klar. Von Essenbach 400 Meter über die Isar dann durch knapp drei Kilometer lange Tunnels hinauf nach Adlkofen, weiter nach Geisenhausen, weiter nach Velden, dann zur A94 westlich von Mühldorf am Inn und so weiter, und so weiter. Damit das alles so schnell realisiert werden kann, sammelte die Initiative „Pro B15 neu" bereits über 27.000 Unterschriften, damit die Strecke beim Bundesverkehrsministerium wieder ganz oben in die Umlaufmappe kommt, nämlich mit dem Prädikat-Stempel „vordringlicher Bedarf".
Rosenheim, Ebersberg, Mühldorf am Inn und Erding dagegen
Gleichzeitig trommelten die Gegner um Gisela Floegl kräftig. Mit lautstarkem "Scheitern"-Protest und Leuchtfeuern entlang der gesamten Trasse mobilisierten sie die Kritiker des Projekts. Und noch viel mehr: Die Kreisräte aus den Landkreisen Ebersberg, Rosenheim und Mühldorf am Inn sagten per Abstimmung ganz klar „Nein" zur B15 neu.
Innenminister Herrmann wird der"alten" B15 neu untreu
Der Innenminister lässt die Katze aus dem Sack. Die B15 neu wandert abgespeckt von Ost nach West. Zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken.
Dann trat am 6. Dezember Innenminister Joachim Herrmann in Hinterberg bei Dorfen auf die Bühne und mischte die Karten völlig neu, bzw. stellte alles bisherige auf den Kopf. Denn für ihn muss die B15 neu nicht mehr vierspurig in die Zukunft laufen. Für ihn muss die B15 neu nicht mehr durch die Autobahndirektionen geplant werden und für ihn ist eine komplett neue Streckenführung sehr realistisch. Nach dem Tunnel durch die Isarhangleiten – ein richtig teures Projekt – geht es dann von Adlkofen westwärts weiter, nach Kumhausen, Vilsheim, Steinkirchen, Inning, vorbei an Taufkirchen, Dorfen und so weiter, und so weiter.
Doch dann hagelte es Klatschen von überall, außer von den Gegnern um Gisela Floegel. Die jubelten, denn plötzlich hatte Joachim Herrmann ihr „Hassobjekt" in Luft aufgelöst.
Die "dicke" und die "dünne" B15 neu - Alte Gegner klatschen, neue Gegner rumoren
Foto rechts: Innenminister Joachim Herrmann
Der Erdinger Kreistag - bestimmt kein CSU-feindliches Gremium – handelte nur neun Tage nach Herrmanns Worten. Einstimmig mit 58:0 Stimmen gaben sie dem Innenminister Contra: „Eine durch den Landkreis Erding führende Paralleltrasse zur bestehenden B 15 wird abgelehnt." Umweltministerin, Ulrike Scharf, nannte die Pläne „nicht akzeptabel". Der Dorfener Rathauschef Heinz Grundner sagte. „So kann man mit uns nicht umgehen." Und pro B15 neu-Aktivist und Landshuter FDP-Vorsitzender Alexander Putz schrieb per Leserbrief an die Landshuter Rundschau, getitelt: Landshuter FDP-Chef Alexander Putz: "Die CSU gefährdet den Weiterbau der B15 neu". In Kumhausen marschieren die Grünen Gegner jetzt schon auf, denn Hermanns B15 neu-neu-Variante durchschneidet Kumhausener Gemeindegiebiet. Zeitgleich propagieren die beiden FDP-Kreisräte Martin Sponbrucker und Josef Deller: zur Osttangente: "Unsinning, zu teuer, umweltzerstörend, nicht durchdacht"
Alles in allem ein totales politisches Dilemma für Innenminister Joachim Herrmann; der es wohl sicher nur mit allen gut gemeint hätte. Zum einen bräuchte er keine Milliarde Euro für die sündteure B15 neu nach Rosenheim zusammen kratzen, die Gegner um Gisela Floegel hätten keinen Grund mehr zum dagegen sein und die Gemeinden bekämen endlich ihre lang geforderten Ortsumfahrungen. Nicht gefallen dürften Herrmanns neue B15-Ideen Dr. Ernst Pöschl, von der gleichnamigen Tabakfabrik in Geisenhausen und den Chefs des Automobilzulieferers Dräxlmaier in Vilsbiburg, die nicht nur für die B15 neu kämpfen, sondern sich davon auch wirtschaftlich viel für die Region erwarten.
Der Landrat trommelt seine Bürgermeister zur Verkehrskonferenz
Und nun ruft Landshuts Landrat Peter Dreier seine Bürgermeister zum politischen „Hallali". Denn der Freie Wähler Dreier wird nun das immer schon propagierte Freie-Wähler-Ass aus dem Ärmel zaubern. Seine Partei wollte noch nie eine vierspurige B15 neu, die das Geld für andere Straßenbauprojekte knebelt. Er wird „seine" Bürgermeistern auf Ortsumfahrungen einschwören. Dann hätten die Freien einen Grund zum politischen Jubel. Dann könnte Aiwanger frohlocken „Wir haben es ja schon immer vor der CSU gewusst."
Hat Landrat Peter Dreier mit prophetischem Blick nach oben schon ein Lösung in Sicht?
Doch wann die B15 neu kommt, das wissen immer noch nur die Propheten. Im Juli, meinte Minister Herrmann per Presseerklärung, im Jahr 2030 könnte der Weiterbau beginnen. Die Leute von „Pro B15 neu" sahen es bei einer Pressekonferenz im Gasthaus „Zum Krenkel" noch wesentlich optimistischer und nannten 2025 als Jahr für einen möglichen Spatenstich. Unterhält man sich mit dem Advokaten des Bund Naturschutz, Dr. Ulrich Kaltenegger, dann spricht dieser von frühestens 2034. Denn zuerst müssen die Hausaufgaben in Sachen Regionalplan, Raumordung und Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht werden, also pure Verwaltungs- und Verfahrensangelegenheiten.
Weiterbau frühestens erst 2034 oder gar nicht?
Mit 2034 mein Kaltenegger aus seiner Sicht tatsächlich mit frühestens. Denn, um diesen Termin zu halten, dürften keine Prozesse auf den Tischen der Gerichte landen. Diese werden aber sicher kommen. Ganz gleich welche Trasse. Damit hat der Landshuter Jurist schon Erfahrung gesammelt. Durch sein Zutun wurde vor Jahren der B15 neu-Bau von Saalhaupt bis Schierling verzögert.
Lassen keine Ruhe: Seit 40 Jahren protestieren die B15 neu-Gegner.
Auch nur die Propheten wissen derzeit, wie das Wirrwarr in Landshut gelöst werden kann. Die zwei Isarübergänge an der B299 und an der B11/B15 in der Luitpoldstraße sind zeitweilig echte Geduldsproben für Auto- und Lkw-Fahrer. Eine Westtangente wurde 2013 per Bürgerentscheid abgelehnt. Oberbürgermeister Hans Rampf wird in seiner verbleibenden Amtszeit keine weitere Niederlage diesbezüglich riskieren. Und eine Realisierung einer Osttangente bleibt ebenso fraglich. So manche Vöglein zwitschern schon jetzt ein „Nein" des Ergoldinger Gemeinderates über die Stadtgrenzen. Wieso soll Ergolding auch einer Osttangente zustimmen, wenn dadurch mehr Verkehr in ihre Gemeinde gelockt wird?
Doch Landrat Peter Dreier hat schon angekündigt, dass ihm das Thema, wie Landshut von der Pein und Qual des Durchgangsverkehrs entlastet werden kann, sehr am Herzen liegt. Alt-OB Josef Deimer hätte da wohl viel pragmatischer reagiert. Wer einen Tunnel bauen kann, dem steht ein zweiter auch recht gut. Praktisch gesehen kann das heißen: Vor der Isar abtauchen und oben am neuen Knast wieder auftauschen. Der Josef-Deimer-Tunnel hat's ja auch geschafft, die Altstadt zur Fußgängerzone auszuweisen! Denn, um es einmal ganz unverblümt auszudrücken: Mit der Isar, so manchen Auwaldgebieten, Naturschutzflächen und den danach um rund 100 Höhenmeter ansteigenden Isarhangleiten, stellt sich eine echt beschissene Situation dar, rein planerisch den Straßenbau ganz einfach mal "so" in Griff zu bekommen, ohne ganz, ganz tief in's Portmonee der Steuerzahler zu greifen.