Der Bus soll öfter kommen. Die Bürger wünschen laut "Busse Baby" einen höheren Verkehrstakt. - Fotos: W. Götz
Landshut – gw (03.02.2023) Am 24. September 2017 entschieden sich 68 Prozent der Landshuter Wahlberechtigten für einen besseren Busverkehr. Seitdem wird an einem neuen Nahverkehrsplan gebastelt. Am gestrigen Donnerstag befasste sich der Verkehrssenat sowie der Finanz- und Wirtschaftsausschuss in einer gemeinsamen Sitzung damit. Die aufgezeigten Vorschläge der Gutachterin gleichen aber eher einem ÖPNV-Placebo, als einer tatsächlichen Verbesserung. Gemein ausgedrückt, lässt sich feststellen, so wird aus den “Busse Baby“ eine Fehlgeburt.
Oberbürgermeister Alexander Putz
Aufhorchen ließ während der Sitzung Oberbürgermeister Alexander Putz, der kund tat, dass das derzeitige ÖPNV-Angebot von den Gutachtern mit einer „Zwei“ bewertet wird. Sollte das Busfahren in Landshut aber tatsächlich eine „Zwei“ verdienen, stellt sich die Frage, weshalb es den Bürgerentscheid vor mittlerweile fünf Jahren und vier Monaten überhaupt gebraucht hat und weshalb eine klare Mehrheit die zentrale Frage: „Sind Sie dafür, dass die Stadt Landshut das Angebot der Stadtbuslinien im Stadtgebiet um 30 % erhöht, insbesondere durch die Wiedereinführung des 20-Minuten-Taktes (statt 30-Minuten-Takt)?“ mit „Ja“ beantwortet haben. Im Spott ausgedrückt lässt sich die Note „Zwei“ wohl nur dadurch erklären, dass die ÖPNV-Skala des Oberbürgermeisters diesbezüglich bei einer einer „Eins“ beginnt und gleich darauf mit einer „Zwei“ endet.
Bevor Irene Burger von der PTV-Group (gehört seit 2017 zu 97 Prozent zur Porsche Automobil Holding) ihre Präsentation startete, erinnerte Oberbürgermeister Alexander Putz noch an einen Beschluss des Finanz- und Wirtschaftsausschusses vom 1. Juli 2021, dass das zusätzliche Defizit durch einen verbesserten ÖPNV nicht mehr als 750.000 €uro betragen soll. OB Putz fügte mit Blick auf die vergangenen fünf Jahre und vier Monate seit dem Bürgerbegehren an, dass man nun in eine Zielgerade kommt. Doch diese Zielgerade wurde kurz vor der Beschlussfassung durch einen Antrag von Rudolf Schnur (CSU) vorerst gekappt.
Irene Burger, PTV-Group
Gutachterin Irene Burger hatte im Prinzip zur letzten Vorstellung der PTV-Planungen nichts Neues zu bieten. Die Linie 3 könne im 15-Minuten-Takt fahren. Für die Linie 5 empfiehlt sie eine geänderte Routenführung, für die Linie 7 einen Ringschluss durch die Innenstadt. Die Linie 10 könne mit einem 30-Minuten-Takt aufgewertet werden und durch die Innenstadt fahren, oder auch nicht. Der 11er Bus könne im 30-Minuten-Takt zur Prof.-Schott-Str. künftige Neubaugebiete beim Hitachi-Gelände erschließen und zusätzlich können sogenannte On-Demand-Angebote nachts und am Wochenende schlecht ausgelastete Linien ersetzen.
Lösungen, die den Südbahnhof mit einbinden erachtet Irene Burger als zu teuer, Busbahnhöfe als Umsteigepunkte waren in ihrer Präsentation nicht enthalten, ebenso die Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden Ergolding, Kumhausen, Altdorf, Altheim oder Essenbach, die im Verbund mit Landshut einen Ballungsraum jenseits der 110.000 Einwohnernmarke bilden. Weitere Taktverdichtungen erörtert sie in dem gesetzten 750.000 €uro Rahmen als nicht finanzierbar. Einem 20-Minuten-Takt erteilt sie eine generelle Absage. Allerdings waren Taktverdichtungen ein zentraler Wunsch bei der Haushaltsbefragung zur Mobilität in Stadt und Landkreis Landshut im Jahr 2018 an der sich 3.780 stichprobenartig ausgewählte Haushalte beteiligten und durch das Büro StadtVerkehr ausgewertet wurden.
Die wichtigsten fünf Wünsche aus der Haushaltsbefragung.
Während OB Alexander Putz die Aussagen der Gutachterin lobte: „PTV hat fundierte Planungen ausgearbeitet“ und alle Beteiligten für ihr großes Engagement rühmte, mag der interessierte Beobachter in all den Vorschlägen höchstens ein punktuelles Gestopsel erkennen, als eine tatsächliche großflächige Betrachtung des Landshuter Fahrplans mit dem erkennbaren, gestalterischen Willen, das Busangebot merklich aufzuwerten.
Der städtische Verkehrsplaner Magnus Stadler sah in seinen Ausführungen Bedenken die Linie 7 im Ringschluss durch die Innenstadt zu führen. Bei der Fahrt durch die Spiegelgasse haben es die Busse mit viel Gegenverkehr zu tun. Dies mit einer Ampel zu lösen, bringt nichts, da es zu sehr langen Räumzeiten kommt und die Polizei bei Einsätzen ausbremst. Zudem empfiehlt er für diesen Fall die Balsgasse mit einer Schranke abzuriegeln, um den Schleichverkehr tausender illegaler Durchfahrten in Griff zu bekommen. Eine solcher Schrankenantrag scheiterte allerdings bereits mehrmals im Stadtrat. Den 7er Bus durch die Kirchgasse zu lenken, ist durch die enge Fahrbahn und viele Radfahrer ebenfalls mit Nachteilen verbunden. So bliebe als Alternative der Weg durch den Tunnel.
Iris Haas, Die Grünen
Iris Haas (Grüne) eröffnete die Debatte und erinnerte OB Putz an den 750.000-€uro-Beschluss: Diese Defizit-Deckelung wurde bis heute nicht durch das Plenum endgültig verabschiedet und mahnte deutlich: „Es reicht nicht im Sinne des Bürgerentscheids aus, was vorgestellt wurde.“ Das Ziel lautet für sie nach wie vor 30 Prozent mehr Angebot mit einem 20-Minuten-Takt. OB Alexander Putz gab ihr zu verstehen, dass nur das umgesetzt werden kann, was finanzierbar ist. „Eine Angebotserhöhung mit einem 3,5 Millionen Defizit geht nicht.“
Stefan Gruber, Fraktionschef der Grünen
Laut Stefan Gruber (Grüne) war der 750.000 €uro-Beschluss ein Kompromiss, „jetzt darf man nicht sagen, dass bei 750.00 €uro Schluss ist.“ Gruber rechnete vor, dass eine Westtangente der Stadt rund 45 Millionen Euro kosten würde. „Damit können wir einen 20-Minuten-Takt finanzieren.“ Zudem glaubt er nicht an die Realisierung der Westtangente, weil dafür kein Geld vorhanden ist, aber für die Planungen dazu „wird weiterhin Geld rausgeschmissen.“
Jutta Widmann, Freie Wähler
Busse durch die Fußgängerzone fahren zu lassen, dafür kann sich MdL Jutta Widmann (FW) nicht begeistern. „Wir haben lange gebraucht, die Busse aus der Altstadt zu bringen.“ Auch eine Haltestelle beim Kriegerdenkmal sei verkehrstechnisch schwierig. Zugleich begrüßt sie es, dass künftig Schulen und Wohngebiete besser durch den ÖPNV erschlossen werden sollen, verwies aber auch darauf, dass schon jetzt ein jährlichen Busdefizit von 3 bis 4 Millionen €uro anfällt.
Anja König (SPD) erinnerte gar an die Eingemeindung des Stadtteils Achdorf im Jahr 1928. Schon damals wurde vertraglich festgeschrieben, den Südbahnhof an des Busnetz anzubinden, was bis heute ausblieb. So auch ihre Parteikollegin Patricia Steinberger: „Auf den Süd-Bahnhof wird viel zu wenig Wert gelegt. Von dort lässt sich der Hauptbahnhof in gut drei Minuten per Zug erreichen.“
Rudolf Schnur, CSU
Dem angesprochenen On-Demand-Angebot widmete sich Rudolf Schnur (CSU). Anstatt dazu externe Firmen zu engagieren, kann dies auch der Landshuter Taxi-Dienst bewerkstelligen, etwa für die defizitäre Linie 5. So lassen sich Standzeiten der Taxis reduzieren, es müssen keine neuen Fahrzeuge angeschafft, oder Fahrer eingestellt werden.
Dieser Vorschlag fand auch den Gefallen von Dr. Thomas Keyßner (Grüne), der gleichzeitig seine „Gesamterschütterung“ zum Ausdruck brachte: „Landshut ist derzeit eine Stadt, in der ich mit dem ÖPNV nicht mobil bin und mahnte, soviel von den 30 Prozent-Ziel umzusetzen wie nur möglich. Irene Burger bewertete daraufhin ihre Vorschläge mit 19 Prozent und OB Putz konkretisierte das bisherige Angebot: „PTV bescheinigt uns, dass wir einen recht guten ÖPNV mit der Note 'Zwei' haben.“
„Wir brauchen eine Verkehrswende in Landshut, auch für den Klimaschutz“, appellierte Iris Haas. „Wir müssen flexibler sein und ein besseres Angebot für die Bürger bringen, um den Umstieg auf den ÖPNV attraktiv zu machen.“
Dr. Stefan Müller Kroehling, ÖDP
Dr. Stefan Müller-Kroehling (ÖDP) sprach in Bezug auf das kommende 49-€uro-Ticket, dass eine erhöhte Nachfrage kommen wird. Doch noch viel schlimmer für ihn wurde die Schiene in den Gutachterlichen Ausführungen nicht bedacht. Für die Schiene gibt es eine 90-prozentige Förderung, so Dr. Stefan Müller-Kroehling. Vom Südbahnhof wird der Hauptbahnhof in gut drei Minuten erreicht, aber einen Bus gibt es dort nicht. Die Neubaugebiete in Löschenbrand lassen sich ebenso über das Gleis erschließen. Ebenso vermisst er Knotenpunkte und Park&Bike-Vernetzungen. Sein Fazit: „Wir müssen neu denken.“
„Die Senioren kommen hier viel zu kurz“, lautete das Statement des Vorsitzenden des Seniorenbeirats Franz Wölfl. Die Angebote „Fifty-Fifty-mobil“ und On-Demand müssen in das Konzept viel stärker eingebaut werden und er weiß von viel zu viel Beschwerden Landshuter Senioren über den Landshuter Busverkehr. „Mit einem Rollator ist das Busfahren sehr schwierig.“
Verena Putzo-Kistner
Für den Fahrgastverband sprach sich Verena Putzo-Kistner für die Takt-Verstärkung des 3er aus, für eine Anbindung des Südbahnhofs und für Park&Ride-Anbindungen, worauf Irene Burger ihre Vorhersage formulierte, dass ein verbessertes ÖPNV-Angebot die Leute nicht automatisch vom Auto in den Bus bringen wird.
Den Stadträten war nicht nach grundlegenden Entscheidungen zumute. Insgesamt waren zwölf Abstimmungen vorgesehen. Doch Rudolf Schnur zog die Reißleine mit seinem Antrag, alles nochmals zur Beratung in die Fraktionen zu schicken.
Einzig Punkt eins „Kenntnisnahme“ und Punkt drei „Zwischen den Straßen „An der Flutmulde“ und der „Jenaer Straße“ wird der Änderung der Linienführung der Linie 11 zugestimmt“ wurde einstimmig befürwortet.
Die Fraktionen wollen nun über die weiteren, noch nicht abgestimmten Beschlussvorschlägen beraten:
2. A) Eine Änderung der Verkehrsführung in der Spiegelgasse (Richtungsumkehr) und im Balsgäßchen (Schrankenlösung) in Kombination mit der Ermöglichung der Durchfahrt der Kirchgasse für den ÖPNV von Altstadt Richtung Neustadt im Sinne der Maßnahmenvorschläge für die Linie 7 und für die Linie 10 wird in der Gesamtabwägung aller Vor- und Nachteile für die Innenstadt nicht zugestimmt.
3. Der Freigabe der Verbindung zwischen den Straßen „An der Flutmulde“ und der „Jenaer Straße“ ausschließlich für den ÖPNV zur Änderung der Linienführung der Linie 11 wird zugestimmt. Durch geeignete Maßnahmen ist sicher zu stellen, dass eine Nutzung durch motorisierte Privatverkehre ausgeschlossen wird.
4. Folgende Maßnahmen werden im Nahverkehrsplan berücksichtigt:
a. Die vom Gutachter vorgeschlagene Maßnahme einer Taktverdichtung der Linie 11 bis zur Prof.-Schott-Straße (auf einen 15min-Takt; Zuwachs Defizit ca. 140.000 €/Jahr) und einer Linienanpassung zur Erschließung der geplanten Wohnbebauung am „Hitachi-Gelände“ wird empfohlen.
b. Die vom Gutachter vorgeschlagene Maßnahme einer Taktverdichtung der Linie 10 auf einen 30-Min-Takt wird empfohlen (Zuwachs Defizit ca. 200.000 €/Jahr).
c. Die vom Gutachter vorgeschlagenen Maßnahme einer Taktverdichtung der Linie 5 auf einen 30min-Takt, sowie eine Anpassung der Linienführung in das Neubaugebiet Am Mitterfeld (Zuwachs Defizit ca. 250.000 €/Jahr), wird empfohlen.
d. Die Innenstadtdurchfahrt der Linie 7, die durch die Spiegelgasse und den Tunnel führt um einen Ringschluss zu erzielen, wird empfohlen (Zuwachs Defizit 140.000 €/Jahr).
5. Die vom Gutachter vorgeschlagene Maßnahme einer Taktverdichtung der Linie 3 auf einen 15min-Takt zwischen dem Hauptbahnhof und Auloh (Zuwachs Defizit ca. 540.000 €/Jahr) ist begrüßenswert, wird aber aufgrund gültiger Beschlusslage und der nicht darstellbaren Haushaltslage nicht empfohlen. Der Antrag Nr. 9 des Frauenplenums vom 04.05.2020 für eine Taktverdichtung der Linie 3 ist damit behandelt.
6. Die vom Gutachter vorgestellten Rahmenbedingungen für ein zusätzliches On-Demand- Angebot im Stadtgebiet während der Abend- und Nachtstunden werden außerhalb des Nahverkehrsplans konzeptionell weiter untersucht (Erfahrungswert entstehende Kosten
500.000 - 600.000 €/Jahr; 4 Kleinbusse; mit Dispositionssystem).
7. Die Untersuchung einer Ringbuslinie wurde im Rahmen der Maßnahmenentwicklung des Nahverkehrsplans durchgeführt. Die Umsetzung einer Ringbuslinie wird vom Gutachter nicht empfohlen und wird nicht weiterverfolgt. Der Antrag Nr. 42 vom 04.06.2020 ist damit behandelt.
8. Ein Shuttlebusbetrieb zwischen der Neustadt und den Zentren der Umlandgemeinden Kumhausen und Altdorf wurde im Rahmen der Maßnahmenentwicklung des Nahverkehrsplans untersucht, wird jedoch vom Gutachter nicht empfohlen und nicht weiter verfolgt. Der Antrag Nr. 1271 vom 18.02.2014 ist damit behandelt.
Eine Einführung einer Taktverdichtung der Linie 6 wie im Antrag Nr. 9 vom 04.05.2020 des Frauenplenums gefordert wird aufgrund der Ergebnisse des Gutachtens nicht weiterverfolgt. Der Antrag ist damit behandelt.
9. Der Antrag Nr. 10 des Frauenplenums vom 04.05.2020 einer Taktverdichtung zwischen Bahnhof und Altstadt während der Abendstunden, wurde im Rahmen der Maßnahmenentwicklung betrachtet und wird nicht weiterverfolgt. Dem Antrag ist damit Rechnung getragen.
10. Der Antrag Nr. 722 der SPD vom 16.05.2018, der eine Anbindung des städtischen Busnetzes an den Südbahnhof vorsieht, wurde in der Maßnahmenentwicklung geprüft und wird nicht weiterverfolgt. Dem Antrag ist damit Rechnung getragen.
11. Die weiteren vom Gutachter untersuchten Maßnahmen werden auf Grund der geringeren verkehrlichen Wirksamkeit, geringerem Fahrgastpotenzial oder ungünstiger Linienführung und z.T. auf Grund hoher zusätzlicher Kosten nicht weiterverfolgt.
„Busse Baby“ lässt grüßen – Was Gutachter vorschlagen
„Busse Baby“: Stadtrat untergräbt Bürgerwillen – 30 % mehr Busangebot ausgebremst
Deutliches Votum für Ausbau des ÖPNV-Angebots: 67,9% Ja-Stimmen für Bürgerbegehren "Busse Baby"