Landshut - (22.06.2019) Leserbrief von Dr. Stefan Müller-Kroehling: Auf der Trausnitz wurde „eine Party für den Artenschutz“ gefeiert (LZ vom 19.6.). Seit 40 Jahren beschäftigt sich also die EU auch mit dem Naturschutz - ein wichtiger Meilenstein. Grund zum Feiern sehe ich allerdings nicht. Die Vogelschutzrichtlinie der EU hat ihre Hauptziele mit Pauken und Trompeten verfehlt. Dies geht aus den amtlichen Biodiversitätsindikatoren des Bundesamtes für Naturschutz und anderen Indikatoren klar hervor.
Ausgerechnet in dem Politikfeld, in dem mehr als die Hälfte der EU-Gelder ausgegeben werden, dem Agrarsektor, hat es in den letzten 20-30 Jahren einen besonders starken Niedergang der Vogelwelt gegeben. Selbst frühere Allerweltsvögel der Offenlandschaft wie Kiebitz und Feldlerche müssen heute mit Artenhilfsprogrammen gestützt werden. Es ist Unsinn, die dabei erzielten kleinen Erfolge zu lautstark zu feiern, denn das ist nur „Naturkosmetik“ im Vergleich zu den Trends auf der Gesamtfläche.
Echte Spezialisten unserer früheren Kulturlandschaft haben wir mit der Maßlosigkeit unserer Zeit außerhalb der Schutzgebiete längst vertrieben. Das gilt auch in den oftmals viel zu kleinen Schutzgebieten. Südbayerns einstmals letztes Brutvorkommen des Ziegenmelkers in der Ochsenau existiert schon seit Jahren nicht mehr. Es ist ein Skandal und eine Schande, dass man nun diese „Landshuter Heide“ zur Hälfte bebauen will. Ganz absurd ist, dass man die Bäume roden wollte, als vermeintliche „Ausgleichsmaßnahme“, unter denen diese einzige heimische „Nachtschwalbe“ einst brütete.
Es ist schlichtweg eine irreführende Verkürzung, davon zu sprechen, dass „der Ehemalige Standortübungsplatz“ als NSG und FFH-Gebiet gesichert wurde, denn das ist bezogen auf die Ochsenau nur die halbe Wahrheit und insofern auch zur Hälfte eine Unwahrheit. Übrigens wurde ferner auch der im Landkreis gelegene Teil der Hochfläche des früheren Militärareals nicht naturschutzrechtlich gesichert.
Wäre es nicht ein guter Anlass, in Zeiten des Artensterbens, anlässlich von 40 Jahren EU-Naturschutz endlich das gesamte ehemalige Übungsplatz-Areal zu sichern? Es gäbe mit Sicherheit in der heutigen Zeit diverse Finanzierungsmöglichkeiten, um dies auch gewinnbringend zu tun. Auch die beiden hiesigen EU-Vogelschutzgebiete sind in einem schlechten Zustand: Der Große Brachvogel, Zielart im Gebiet „Mettenbacher und Grießenbacher Moos“, hat seit Jahren einen unzureichenden Bruterfolg. Und die „Vogelfreistätte Mittlere Isarstauseen" entwickelt sich immer mehr zu einem vorrangigen Freizeit- und Naherholungsgebiet, dem zuliebe offenkundig auf den Vollzug der Schutzgebietsverordnung verzichtet wird.
Wenn die große Chance, die ein Ausgleichsareal wie jenes an der Flutmulde bot, versehentlich ebenfalls zum Freizeitgelände mutiert und somit das große standortsbezogene Potenzial vertan wurde, und jetzt eine letztlich zum Scheitern verurteilte Besucherlenkung nachgeschoben werden muss, offenbart sich auch hier das Fehlen konzeptionellen Vorgehens. Stattdessen das übliche Stückwerk, das sogar teurer kommt, als wenn man es gleich gescheit macht.
Natur- und überhaupt der Ressourcenschutz und der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen müssen endlich Bestandteil aller städtischen Planungsprozesse werden. Derzeit wird die Auszeichnung als „Biodiversitätsstadt“ ganz offenbar nur bemüht, wenn sie nützlich ist und verschwindet danach wieder ostentativ in der Schublade.
Es wäre selbst bei sehr ernst gemeinten Anstrengungen eine große Herausforderung, unsere Artenvielfalt vor dem weiteren Niedergang zu bewahren. Das wird jedoch nicht durch
„Schönwetternaturschutz“ mit Schau-Aktionen gelingen, sondern nur durch fachlich fundierte Konzepte und Vorgehensweisen. Und dann komme ich auch gern zu den Feierstunden.
gez.
Dr. Stefan Müller-Kroehling
OB-Kandidat der ÖDP
Stellvertretender Vorsitzender des Naturwissenschaftlichen Vereins Landshut (NVL)
Naturschutzbeirat in Stadt und Landkreis