Landshut-Achdorf (3.11.2016) Alle zehn Sekunden kommt es weltweit zu einem Schlaganfall in Folge von Vorhofflimmern. In Deutschland sind insgesamt rund 1,8 Millionen Menschen an Vorhofflimmern erkrankt – jedes Jahr erleiden knapp 50.000 von ihnen einen Schlaganfall. Am Mittwochabend fand am Krankenhaus Landshut-Achdorf eine Fortbildung für Ärzte zum Thema „Vorhofflimmern – Schlaganfall“ statt.
Dabei ging es um die Notwendigkeit der raschen Betreuung von Patienten mit Schlaganfall sowie den aktuellen Stand in Diagnostik und Therapie.
Im Rahmen des ersten Vortrags sprach PD Dr. Holger Poppert, Oberarzt an der Neurologischen Klinik und Poliklinik der TU München, aus neurologischer Sicht über Neuigkeiten zum Schlaganfall, also einer plötzlich auftretenden Durchblutungsstörung im Gehirn, die zu einem regionalen Mangel an Sauerstoff und damit zum Absterben von Gehirngewebe führt. Er ging auf die geschichtliche Entwicklung der Schlaganfallbehandlung ein, angefangen von der Bildgebung durch das CT in den 70er Jahren und später das MRT: „Davor konnte man nicht sagen, ob es sich um einen Hirninfarkt oder eine Blutung handelt.“
PD Dr. Poppert informierte außerdem über die Versorgung von Patienten mit Hirnblutung unter Marcumar oder neuen Antikoagulanzien, die Entwicklung von Antidoten sowie verschiedene Studien zur Schlaganfall-Therapie durch Lyse (d.h. medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels) und Thrombektomie (d.h. mechanische Entfernung des Gerinnsels). „Je kürzer das Zeitfenster, desto besser das Outcome – entscheidend ist aber auch, ob der Thrombus im vorderen oder hinteren Stromgebiet des Gehirns sitzt“, so Poppert.
Konkret für die Schlaganfallbehandlung in der Region Landshut stellte PD Dr. Poppert die Frage in den Raum, ob es unter Berücksichtigung der Faktoren Zeit und Outcome mehr Sinn mache, einen Patienten mit dem Rettungsdienst direkt in ein Zentrum oder in das nächste geeignete Krankenhaus zu fahren. „Die Deutsche Schlaganfallgesellschaft empfiehlt, das nächstgelegene geeignete Krankenhaus anzufahren, dort eine Lyse zu machen und wenn notwendig, dann weiter zu verlegen“, so Poppert.
Im Abschluss seines Vortrags stellte er eine neue Idee zur Versorgung von Schlaganfall-Patienten vor: ab Mitte nächsten Jahres könnten Spezialisten auf dem Gebiet der Neuroradiologie von einem Zentrum aus mit dem Hubschrauber direkt zum Patienten in das entsprechende Krankenhaus gebracht werden, um vor Ort eine Thrombektomie durchzuführen.
„Im Landkreis Landshut haben wir weite Wege – entscheidend aber bei der Schlaganfallversorgung ist die Zeit“, sagte Prof. Dr. Christian Pehl, Chefarzt der Medizinischen Klinik am Krankenhaus Vilsbiburg. „Denn bei einem Schlaganfall sterben pro Sekunde rund 1,9 Millionen Hirnzellen ab.“ Prof. Dr. Pehl erklärte, dass nach dem Erstauftreten der Symptome rund viereinhalb Stunden Zeit für eine erfolgreiche Lyse bzw. bis zu sechs Stunden Zeit für eine erfolgreiche Thrombektomie seien.
Anschließend berichtete er über das telemedizinische Projekt zur integrierten Schlaganfallversorgung in der Region Südost-Bayern (TEMPiS) am Krankenhaus Vilsbiburg: „Durch TEMPiS kann das Wissen der großen Zentren in die ländlichen Gegenden gebracht werden.“ Prof. Dr. Pehl erläuterte den Behandlungsablauf vom Eintreffen eines Schlaganfallpatienten mit dem Rettungsdienst im Krankenhaus, über das CT bis zur Vorstellung des Patienten vor der Kamera in einem Zentrum. „Unser Ziel ist, dass bis zum Beginn der Lyse maximal 30 Minuten vergehen“, so Prof. Dr. Pehl. „Jede Sekunde zählt, denn Zeit ist Hirn!“
Aus der Sicht eines Elektrophysiologen sprach im Rahmen des dritten Vortrags Prof. Dr. Bernhard Zrenner, Chefarzt der Medizinischen Klinik I am Krankenhaus Landshut-Achdorf, über das Vorhofflimmern, eine Herzrhythmusstörung, bei der es zur Bildung von Blutgerinnseln im Herzen und dadurch zu einem Schlaganfall kommen kann. „Wir müssen Patienten mit Vorhofflimmern immer individuell sehen und klassifizieren“, sagte Prof. Dr. Zrenner und erklärte, dass die Ablation von Vorhofflimmern das Risiko für einen Schlaganfall reduzieren würde. „Das Geheimnis zur Entdeckung von Vorhofflimmern ist das Monitoring“, so Prof. Dr. Zrenner. Um insgesamt einen Vorteil für den Patienten zu gewinnen, sei unbedingt die Kooperation mit einem Neurologen notwendig.
Im Anschluss an die Vorträge diskutierten die zahlreich erschienen Ärzte zusammen mit den Referenten über aktuelle Studien und die nahe Zukunft in Diagnostik und Therapie bei einem Schlaganfall.
Bildunterschrift:
Prof. Dr. Bernhard Zrenner (rechts), Prof. Dr. Christian Pehl (links) und PD Dr. Holger Poppert (mitte) informierten Ärzte rund um die Themen Schlaganfall und Vorhofflimmern.
Bildquelle: LAKUMED Kliniken