Der SPD-Unterbezirksvorstand traf sich kürzlich zu seiner Sitzung in der Gaststätte Weihenstephaner Stuben. Als politisches Top-Thema des Abends diskutierten die Genossinnen und Genossen über Möglichkeiten, eine gute Pflege im Alter für alle Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.
Herbert Lohmeyer, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks betonte, dass gerade die steigende Altersarmut auch Ängste vor dem Alter schürt, wenn pflegerische Unterstützung benötigt werde. „Denn mit dem heutigen System der Teilkostenversicherung können sich eine gute Pflege viele Menschen im Alter nicht leisten“.
ver.di hatte die Diskussion bereits 2013 eröffnet: Eine solidarisch ausgestaltete Pflegevollversicherung ist sowohl sozialstaatlich geboten als auch umstandslos finanzierbar. Das ist das Ergebnis eines Gutachtens von Professor Markus Lüngen, Gesundheitsökonom an der Hochschule Osnabrück, im Auftrag von ver.di, das die stellvertretende Unterbezirksvorsitzende Stadträtin Anja König dem Vorstand vorstellte.
Die bisherige Teilkostenversicherung ist den Herausforderungen der Zukunft nicht mehr gewachsen. Hilfskonstrukte mit privater, kapitalgedeckter Zusatzabsicherung nützen nur denjenigen, die es sich leisten können, bedrohen aber im Falle der Pflegebedürftigkeit vom Geringverdiener bis zum Bezieher mittlerer Einkommen die materielle Existenz vieler Menschen. „Eine Pflegevollversicherung dient der Verwirklichung sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit. Nicht der Geldbeutel darf über Umfang und Qualität der Pflege entscheiden“, betonte König. Gleichzeitig sorge eine solidarische Vollversicherung für eine Verbesserung der Versorgungsqualität und des Leistungsangebots bei höherer Personalausstattung.
Der Gesamtaufwand der Umwandlung der jetzigen Teilkosten- in eine sozialversicherungspflichtige Pflegevollversicherung würde einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von jährlich 13,25 Milliarden Euro erfordern. Der aktuelle Beitragssatz würde um 1,3 Prozentpunkte steigen. Bei einer paritätischen Finanzierung würde dieser Anstieg jeweils zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen. Die erforderliche Beitragssatzanhebung könne aufgrund von Verrechnungseffekten und weiterhin gewährten Steuerzuschüssen, der Angleichung der Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung auf die Höhe der Rentenversicherung sogar merklich geringer ausfallen.
Alle Daten sprechen für die Vollversicherung. Besonders dramatisch ist die Unterfinanzierung der von vielen gewünschten Pflege zu Hause. Menschen mit geringen Einkünften oder Renten sind derzeit häufig auf den Umzug ins Pflegeheim und ergänzende Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) angewiesen.
Mit dem Gutachten im Auftrag von ver.di liegen erstmals belastbare Zahlen über den zusätzlichen Finanzbedarf einer Vollversicherung vor. Damit sollte der Anstoß für einen Richtungswechsel in der Pflegepolitik eingeleitet werden: weg von der Unbezahlbarkeit und der privaten Teilkostenversicherung, hin zu einer solidarischen Finanzierung der Pflege als staatlicher Aufgabe.
Die Pflegevollversicherung hilft, muss jedoch in ein Gesamtkonzept eingebettet werden. Vor allem müsse sich um eine verbesserte Beratung gekümmert werden. Hierfür eignen sich laut Meinung der Sozialdemokraten sehr gut Pflegestützpunkte. Pflegestützpunkte werden von den Kranken- und Pflegekassen auf Initiative eines Bundeslandes eingerichtet und bieten Hilfesuchenden Beratung und Unterstützung. „Bayern ist so ziemlich das einzige Bundesland, in dem solche Beratungsstellung nicht initiiert wurden“, berichtete Landtagsabgeordnete Ruth Müller. Die CSU-Regierung sei noch nicht in der Realität angekommen und verkenne die Wichtigkeit für die Bevölkerung. Auch auf die Zunahme pflegebedürftiger Menschen müsse mit neuen Konzepten reagiert werden.
Zum Abschluss begründet König ihre Forderung nochmals: „Eine Vollversicherung trägt zu mehr Solidarität und zu einer bedarfsgerechteren Versorgung bei. Sie ist auch hervorragend mit einer Bürger/-innenversicherung kombinierbar.“