(4.11.2016) Die Kraft und die Überzeugung einzelner Frauen in der Reformation des 16. Jahrhunderts, war Vorbild für fünf Frauen, die in unserer Zeit in kirchlichen, politischen oder sozialen Berufen arbeiten. Sie gingen in einer Podiumsdiskussion der Fragestellung nach, ob Frauenpower ein Zukunftsmodell für die Kirche sein kann.
Frauen, die ihre Kirche verändern wollen, gab es in der Geschichte schon immer. Viele landeten auf dem Scheiterhaufen, andere wurden über die Jahrhunderte vergessen. Nur wenigen gelang es, mit ihrem engagierten Wirken in unsere Zeit zu strahlen. Katharina von Bora, die Frau Martin Luthers, ist sicherlich die bekannteste weibliche Vertreterin der Reformation. Ihr und anderen Frauen war der Abend gewidmet. Auf Einladung der evangelischen Christuskirche diskutierten unter der Leitung der Altenheimseelsorgerin Dr. Nina Lubomierski, die Pastoralreferentin in der Diözese Passau Dr. Elfriede Schießleder, die gleichzeitig Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes und seit 2010 Vorsitzende des Landesverbandes Bayern ist, mit der evangelischen Pfarrerin der Hochschulgemeinde der TU München, Dr. Claudia Häfner sowie Ruth Müller, Sozialdemokratin und Mitglied des Bayerischen Landtags.
Als Vertreterin der muslimischen Gemeinde nahm Sevim Kaya an der Podiumsdiskussion teil. Sie ist Gründerin des Vereins „TatBayern“, einer Gemeinschaft zur integrativen Unterstützung von Schülern und Eltern an Schulen. Das alle Frauen auf dem Podium ihren geschichtlichen Vorbildern an Überzeugungskraft und Einsatz in nichts nachstehen, wurde schon gleich zum Anfang deutlich. Sie schilderten ihre tägliche Arbeit in Beruf und Kirche und verdeutlichten, wo sie der Schuh drückt. Unterstützt wurde die Podiumsdiskussion von der Ausstellung „Frauen der Reformation“, die das weibliche Antlitz der Reformation in den Blick nimmt und zum Austausch einlädt. In der Ausstellung wird das Leben und Wirken von zwölf ganz unterschiedlichen, berühmten, aber auch wenig bekannten Frauen in der bewegten Zeit des 16. Jahrhunderts in 19 Tafeln vorgestellt. Daran knüpfte auch Pfarrerin Lubomierski an.
Mit entsprechenden Fragestellungen aus heutiger Perspektive regte sie zum Austausch und zum Weiterdenken an. So wurde schon an der Grundfrage „Welche Rollen nehmen Frauen heute in der Kirche ein und welches Potential steckt in weiblichen Ideen für die Zukunft einer lebendigen Kirche“ deutlich, dass sich alle Vertreterinnen für Veränderungen in ihrer jeweiligen einsetzen, sich aber auch wohl fühlen in der Gemeinschaft der Gläubigen. Dr. Elfriede Schießleder, die für ihren engagierten Einsatz im Katholischen Deutschen Frauenbund das Bundesverdienst-kreuz erhalten hat, gilt als sehr couragierte Verfechterin für Frauenpower in der Kirche. Sie führte in verschiedenen Statements auf, wie wichtig die Frauenarbeit ist und welche Bedeutung Frauen heute in der Kirche erreicht haben. Zwar, so formulierte sie, ist es noch ein sehr weiter Weg zur Gleichberechtigung, aber vieles wurde erreicht, auf das sich aufbauen lässt. Damit widersprach sie Papst Franziskus, der Frauen auffordert, ihre Rolle als Mutter nicht für ein falsches Ideal von Emanzipation aufzugeben.
Potenzial zur Veränderung sah auch Sevim Kaya, die aber auch von Fortschritten der Frauen in den muslimischen Gemeinden sprach. „Unterdrückung im Islam gibt es nicht. Die Frau sei ein wichtiger und geachteter Partner innerhalb der Religion. Wenn heute ein falsches Bild in der Öffentlichkeit dargestellt wird, liegt das, so Kaya, an einzelnen Vertretern, die die Religion des Islam falsch auslegen“, so die überzeugte Muslima. Dr. Claudia Häfner, zuständig für die Studentenseelsorge an der Technischen Universität München, beschrieb ihren täglichen Kampf gegen die Unbill des Berufs. Frauen müssen heute immer noch besser sein, als ihre männlichen Kollegen und das neben der Bewältigung von Haushalt und Kindern. Frauenpower aus politischer Sicht beschrieb Ruth Müller, die als Landtagsabgeordnete auch aktiv in kirchlichen Gremien mitwirkt.
Die streitbare Sozialdemokratin beschrieb trotz aller Erfolge auch viele Defizite, die Frauen in ihrer Kirche auch heute noch erleben. „Dies ist ein allgemeines gesellschaftliches Phänomen, gute und bessere Leistung von Frauen nicht immer zu honorieren“, so Müller. Auch Dr. Lubomierski machte als Moderatorin deutlich, wie schwer sie es hatte, Beruf, Karriere und Familie zu verbinden. „Starke Frauen scheitern oft am beruflichen Werdegang ihres Mannes und daran hat sich in vielen Jahrzehnten nichts geändert“, so die evangelische Altenheimseelsorgerin. Frauen müssen in Kirche einwirken, Veränderungen sind nötig und wichtig. Die Rolle der Frau in der Kirche müsse gestärkt werden. Das war der einhellige Tenor des Abends, mit dem sich auch die meist weiblichen Zuhörer identifizierten.
Im Bild oben von links: Für Frauenpower in der Kirche stehen: Dr. Claudia Häfner, Dr. Nina Lubomierski, Sevim Kaya , Ruth Müller, Dr. Elfriede Schießleder