(14.11.2016) Wird die Nährwertkennzeichnung verpackter Lebensmittel auch für regionale Direktvermarkter Pflicht? MdB Rita Hagl-Kehl und MdL Ruth Müller im Gespräch mit den Landwirten Franz und Ingrid Grosser in Pfarrkofen bei Landshut.
Bereits an der Einfahrt hört und sieht man die aus ihren mobilen Stallungen frei ein- und auslaufenden Masthähnchen – ein Bild, welches heutzutage selten geworden ist. Auf dem Grosserhof gibt es die „glücklichen Hühner“, egal ob sie für die Schlachtung oder zur Eierproduktion bestimmt sind. Bereits seit 1989 führen Ingrid und Franz Grosser ihren Hof als Biobetrieb und erhielten für ihr Engagement in Sachen Tierwohl im letzten Jahr die „regional & fair“-Auszeichnung des Anbauverbands Biokreis.
Auf einem Rundgang zeigt Franz Grosser den niederbayerischen Abgeordneten Ruth Müller und Rita Hagl-Kehl, die beide Mitglied des Landwirtschaftsausschusses im Land-, sowie Bundestag sind, dass der Grosserhof alles bietet, was das Hühnerherz begehrt: Sitzstangen, die Möglichkeit zum Sandscharren und –baden, großzügiger Auslauf über Grünflächen, sowie ein automatisierter Körnerstreuer, um Langeweile und den damit verbundenen Schnabelverletzungen vorzubeugen. Durch die Freilandhaltung seien die Tiere zwar äußeren Einflüssen ausgesetzt, würden dadurch jedoch auch widerstandsfähiger, so Franz Grosser. Um den Boden optimal zu nutzen, können die Stallungen der Masthähnchen sogar per Metallschlitten mobil versetzt werden.
Auf dem Hof wird außerdem eine besondere Hühnerrasse gehalten, welche als sogenanntes „Zweinutzungshuhn“ sowohl zur Mast, als auch zur Eierproduktion geeignet ist. Dass dadurch der rein wirtschaftliche Nutzen in beiden Sparten geringer ausfällt und das Ei mehr kostet, nimmt die Familie Grosser zugunsten des Tierschutzes in Kauf. Bei Zweinutzungshühnern werden die männlichen Küken nämlich nicht getötet, sondern als „Brudergockel“ mit aufgezogen, um sie dem Verbraucher letztlich als Brathähnchen oder in Geflügelwurst anbieten zu können.
Landwirtschaftliche Produkte – ab Hof verkauft
Seit 1990 bildet die Direktvermarktung über den Hofladen und teilweise auch die Abgabe an den regionalen Einzelhandel ein wichtiges Standbein der Landwirte. Ingrid Grosser bietet in ihrem Hofladen von Geflügelfleisch, Hühnerkraftbrühe über Wurst bis hin zu Eierlikör, Nudeln und Säften ein breites Angebot und steht dem Kunden zur Beratung gerne persönlich zur Seite. Alle verpackten Lebensmittel sind außerdem mit einer Angabe der Zutaten versehen. Nach der neuen, EU-weiten Lebensmittel-Informationsverordnung wird die bisher freiwillige Angabe detaillierter Nährwerte verpackter Lebensmittel ab Mitte Dezember jedoch zur Pflicht. Für handwerklich arbeitende Kleinproduzenten wie landwirtschaftliche Direktvermarkter ist dies jedoch äußerst schwierig umzusetzen.
Im Gegensatz zu industriell verarbeiteten Lebensmitteln, schwanken die Nährwertgehalte je Charge, da die Konzentration der einzelnen Zutaten in selbst hergestellten Waren wie Eiernudeln, Eierlikör oder Hühnerkraftbrühe bei jeder Herstellung variiert. Entsprechend müsste Ingrid Grosser für jede neu produzierte Charge eine neue Untersuchung bezüglich der Nährwerte veranlassen. „Das ist nicht nur aufwendig, sondern ist auch teuer“, macht die überzeugte Biobäuerin im Gespräch mit den beiden Abgeordneten deutlich. „Direktvermarkter müssen hiervon ausgenommen werden, damit die Einzelpreise der Produkte nicht ansteigen“, so Rita Hagl-Kehl, die im Landwirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages Berichterstatterin für alle Belange der Direktvermarkter ist. „Ich bin sehr froh darüber, dass die Akzeptanz und Nachfrage an Bioware in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist, doch wenn nun eine ständige Untersuchung der Nährwerte unserer selbst hergestellten Produkte auf uns zukommt, sehe ich für die Zukunft von uns Direktvermarktern schwarz“, so Ingrid Grosser.
Zwar sollen Kleinbetriebe von dieser Verordnung ausgenommen werden, doch gibt es bei den Direktvermarktern noch Klärungsbedarf, was beispielweise unter dem Begriff „kleine Mengen“ überhaupt zu verstehen ist. Im Gespräch sind Definitionen über eine Höchstanzahl an Mitarbeitern oder einer produzierten Höchstmenge pro Jahr, deshalb hat Ruth Müller eine entsprechende Anfrage an die Bayerische Staatsregierung gestellt, um Licht in das Bürokratie-Dunkel zu bringen. Sobald die Antwort vorliegt, wird Müller ihre regionalen Direktvermarkter informieren.
„Die Möglichkeit, Bio-Produkte direkt beim Bauern vor Ort einzukaufen, wird gerne angenommen und trägt noch dazu zum Erhalt unserer Kulturlandschaft bei. Außerdem ist die Direktvermarktung ein wesentliches Standbein, um gerade kleinere Höfe weiter zu erhalten. Daher muss der finanziell rentable Weiterbestand regionaler Direktvermarktung gesichert sein!“, so Ruth Müller.