Montags-"Spaziergänger" schlendern entlang der Projektion auf das historische Rathaus. - Fotos: W. Götz
Landshut – gw (18.01.2022) Wieder versammelten sich gestern rund 1.000 Teilnehmer zu einem nicht angemeldeten Montags-“Spaziergang“ in der Landshuter Innenstadt und wieder gab es vor der Martinskirche eine angemeldete Gegenveranstaltung. Just als dort ein Sprecher der Grünen Jugend zur „Solidarität mit den Menschen in den Kliniken“ aufrief, brüllte ein „Spaziergänger“ mehrmals „Nazi“ zurück. Solidarität wurde auch auf die Front des historischen Rathauses projiziert. Oberbürgermeister Alexander Putz war persönlich vor Ort. Die Polizei nahm die Personalien zahlreicher „Spaziergänger“ auf.
Die Polizei war mit mehr Personal als an den vergangen Montagen vertreten. Sie positionierte sich am Ländtor und in der Theaterstraße als sich ab 17.45 Uhr der Platz vor dem Karstadt mit immer mehr Personen „rein zufällig“ füllte. Es waren allerdings weniger als sonst.
Zu Beginn des "Spaziergangs" war die Polizei mit einem großen Aufgebot am Ländtor vor Ort.
Gleichzeitig positionierte sich eine angemeldete Gegendemonstration mit rund 130 Teilnehmern vor der Martinskirche. Am Ländtor startete derweil die Polizei ihre Durchsagen, bat darum, dass sich ein Versammlungsleiter melden solle und wies darauf hin, dass es sich um eine nicht genehmigte Versammlung handelt. Mehrmals wurde wiederholt, dass die Teilnahme eine Strafe von 250 Euro nach sich ziehe, was die „Spaziergänger“ mit höhnischem Lachen erwiderten.
Da durch die Polizei der direkte Weg in die Altstadt sowie in die obere und untere Länd blockiert war, setzte sich der illegale Zug an der Karstadt Front entlang der B11 in Bewegung. Über verschiedene Wege marschierten die Corona- und Impfkritiker in die Altstadt, auch entlang der Martinskirche.
Der "Spaziergang" bewegt sich durch die Altstadt.
Bei der Gegendemonstration sprach gerade Johannes Hunger, Vorstandsmitglied der Grünen Jugend. Er erinnerte, dass am vergangenen Donnerstag in Dresden das dortige Klinikum eines der Ziele der illegalen Querdenker-Demo war. „Wie anstandslos muss man sein, um Einrichtungen der Gesundheitsversorgung zu bedrohen? Hinter den Wänden des Klinikums arbeiten Menschen für das Wohl, die Gesundheit und das Leben anderer. Es muss völlig klar sein, dass Einrichtungen der Gesundheitsversorgung nicht bedroht werden dürfen, nicht als Ziel von Aufmärschen dienen dürfen.“
Polizisten "kümmern" sich um den "Nazi"-Gröler.
Johannes Hungers Solidarität mit den Menschen in den Kliniken brachte „Spaziergänger“ in Rage. Einer begann mehrmals lautstark „Nazi“, "Nazis“ in Richtung der angemeldeten Demo zu brüllen, deren Teilnehmer sich nicht provozieren ließen. Die Polizei hatte die Lage wachsam im Blick. Es dauerte nicht lange, bis der „Nazi“-Gröler von mehreren Beamten umringt war und er darauf hin sein Geschrei einstellte.
So zeigt sich wieder einmal, dass dumpfes Geplärr in der Stadt Landshut nicht toleriert wird. Schon vor 14 Tagen, als ein „Spaziergänger“ ein Transparent der Gegendemo zerreißen wollte, schritt die Polizei akkurat ein und nahm den Störer umgehend fest.
Einer der "Spaziergänger" stichelte verbal auf die Gegendemonstranten ein.
Die Organisatorin der Gegenveranstaltung, die Grüne Stadträtin und Grüne Kreisvorsitzende Elke Rümmelein, stuft die Lage am Montag als bedrohlich ein. Nicht nur wegen der „Nazi“-Rufe, die sie auch vor dem Rathaus hörte. Sie musste zusehen, wie Hitlergrüße gezeigt wurden. Das erinnert sie an das Buch und den Film „Die Welle“, einem reellen Sozialexperiment, das zeigt, wie aus Mitläufern autokratische faschistoide gesellschaftliche Strukturen entstehen. Als ehemalige Intensivschwester kennt sie die Belastungen im Arbeitsalltag der Kliniken und plädiert fürs Impfen, als Dienst am Nächsten zum Schutz vor schweren Coroainfektionen. Auf jeden Fall will sie für den kommenden Montag, 24. Januar, wieder eine Demo anmelden.
Als oberster Vertreter der Stadt Landshut bezog Oberbürgermeister Alexander Putz vor dem Rathaus Stellung und dankte allen Helfern in der Pandemie.
Flagge zeigte auch Oberbürgermeister Alexander Putz, der vor dem Rathaus stand. Hinter ihm eine riesige Projektion auf das historische Gebäude mit der allen Beschäftigen der Katastrophenschutzeinheiten, der Hilfs- und Rettungsdienste, der Kliniken- und Arztpraxen, der Polizei und Feuerwehr, der Kindergärten und Schulen sowie der Senioren- und Pflegeheime und allen anderen, die im Kampf gegen die Pandemie zusammenstehen, weit sichtbar Dank für ihre Arbeit ausgesprochen wurde. Auch dieser Dank wurde von „Spaziergängern“ mit einem höhnischen Lachen verspottet.
Die Polizei war darauf bedacht, dass sich die Teilnehmer des "Spaziergangs" und der angemeldeten Gegendemo nicht zu nahe kamen.
Während der „Spaziergang“ weiter durch die Innenstadt zog, erinnerte Johannes Hunger vor der Martinskirche an eine weitere Pietätlosigkeit von 200 Querdenkern, die im November 2021 mit Kerzen vor dem Krankenhaus in Eggenfelden aufmarschierten, als am selben Wochenende dort acht Menschen an, bzw. mit Corona verstarben. Auch das erntete von den Coronakritikern und Impfgegnern zynisches Lachen, während Johannes Hunger allen dankte, die während der Pandemie Menschen retten. „Wir stehen hinter all den Menschen, die trotz schlechter Arbeitsbedingungen und geringer Entlohnung jeden Tag aufs neue alles geben, um anderen zu helfen."
Im Umfeld der Martinskirche wurde die Polizei tätig. Immer wieder „fischte“ sie „Spaziergänger“ heraus, um deren Personalien aufzunehmen. Diesen wird in den nächsten Tagen eine staatliche Rechnung ins Haus flattern. Mehrmals wurde darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an der Montagsveranstaltung mit 250 Euro geahndet werde.
Die Gegendemo will auch die Mehrheit der 75 Prozent Geimpften in Deutschland repräsentieren.
An die Teilnehmer des illegalen „Spaziergang“ wandte sich Johannes Hunger, dem einige via facebook bzw. Instagram schrieben: „Ich bin doch nicht rechts, ich bin nur mit den Maßnahmen nicht einverstanden.“ Denen sagte er: „Schauen Sie sich die Bewegung an, bei der Sie mitlaufen. Die Querdenker-Bewegung ist durchsetzt mit Rechtsradikalen, Verschwörungstheoretikern, Demokratiefeinden und solchen, die es in Ordnung finden, Ärzt*innen, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen mit dem Tod zu drohen. Hunger erinnerte: „Seit wir letzte Woche hier standen, sind über 1.600 Menschen in Deutschland mit dem Coronavirus verstorben“ und bat um einen Moment der Stille für diese Menschen.
Die Polizei nimmt die Personalien eines Teilnehmers der nicht angemeldeten Veranstaltung auf.
Gegen 19 Uhr versammelten sich die „Spaziergänger“ in der Mitte der Fußgängerzone zwischen Rathaus und Theaterstraße. Diese Gelegenheit ließ die Polizei nicht ungenutzt, um nochmals zahlreich Personalien festzustellen. Dies führte dazu, dass sich kurz nach 19 Uhr kaum mehr ein „Spaziergänger“ in der Altstadt aufhielt und sich die unangemeldete Versammlung binnen Minuten zerstreute.
Auch für die nächsten Tage bleibt die derzeitige Allgemeinverfügung der Stadt Landshut in Kraft. Diese besagt im Kern:
Mit der "Versammlungsleiter" wird die Allgemeinverfügung der Stadt Landshut veräppelt.
1. Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel im Sinne des Art. 8 des Grundgesetzes (GG) im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen, wie beispielsweise sog. „Corona“-, „Montags“-, „Spaziergänge“ bzw. Kerzendemos sind im Stadtgebiet Landshut ausschließlich ortsfest zulässig. Das gilt sowohl für das Veranstalten von als auch für die Teilnahme an solchen Versammlungen.
2. Ziffer 1 gilt an folgenden Tagen:
Montag, den 17.01.2022, von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr
Montag, den 24.01.2022, von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr
3. Ziffer 1 findet darüber hinaus im Zeitraum von 15.01.2022 bis einschließlich 28.01.2022 auch für Ersatzversammlungen in dem Fall Anwendung, dass die entsprechenden Aufrufe in den sozialen Medien und Chatgruppen kurzfristig auf einen anderen Tag als die in Ziffer 2 genannten Tage hin geändert werden sollten.
Inwieweit diese Allgemeinverfügung von Corona- und Impfkritikern beachtet wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat der gestrige Montag gezeigt, dass es in Landshut ein breites bürgerlichen Bündnis gibt, das keine Extreme oder gar Radikale in der Stadt duldet. Dies belegen eindrucksvoll auch die Projektionen auf das historische Rathaus und die Teilnehmer der angemeldeten Gegendemonstration. Und die Polizei schreitet immer öfter tatkräftig ein, um Personalien der "Spaziergänger" festzustellen.
Der Pressebericht der Polizeiinspektion Landshut vom 18. Januar dazu:
Kundgebung und Spaziergänge verliefen friedlich
Erneut kam es in der Landshuter Innenstadt am Montagabend zu einer größeren Ansammlung von ca. 1.000 Personen. Durch die Polizei wurden die Ländgasse und die Theaterstraße gesperrt. Somit bewegten sich die Personen über die Wittstraße und die Ludwigspassage in Richtung Dreifaltigkeitsplatz. Weiter ging der Zug über die Altstadt in die Grasgasse. Über die Neustadt und Rosengasse ging es dann zurück in die Altstadt, wo sich der Umzug dann langsam auflöste. Die Abstände bezüglich Infektionsschutz konnten weitgehend eingehalten werden. Leider kam es auch immer wieder zu Verkehrsbehinderungen, vor allem in der Grasgasse, da die Teilnehmer nicht immer die Gehwege benutzten, sondern immer wieder auf die Fahrbahn liefen. Insgesamt war der Verlauf friedlich, jedoch mussten wieder mehrere Owi-Anzeigen (Owi = Ordnungswidrigkeit, Anm. d. Red.) gefertigt werden.
Um 18 Uhr fand außerdem eine ortsfeste Kundgebung von Bündnis90/Die Grünen zum Thema: „Raum der Vernunft. Solidarität mit Pflegenden, Erkrankten und der sog. kritischen Infrastruktur“ vor der Martinskirche statt. Es waren rund 150 Teilnehmer zu verzeichnen. Die Versammlung verlief friedlich und störungsfrei.