Rund die Hälfte aller Flugpassagiere hat es mindestens einmal erlebt. Ohrenschmerzen. Vor allem der Landeanflug kann für Beschwerden sorgen. In den meisten Fällen reicht ein einfacher Druckausgleich durch Schlucken oder Gähnen aus. In der Steigphase geschieht der Druckausgleich ohne eigenes Zutun. Problematisch werden die Schmerzen, wenn ein Druckausgleich nicht möglich ist.
Dann kann es zum sogenannten Barotrauma kommen. Betroffen sind vor allem Kinder.
Auf dem Boden auf Normalnull herrscht ein Luftdruck von ca. 1013 Hektopascal (hPa). Auf Reiseflughöhe beträgt der Druck in der Atmosphäre weniger als 300 hPa, weshalb in Flugzeugkabinen ein künstlicher Druck von 750-800 hPa erzeugt wird. Das entspricht einer Höhe von 2.500 Metern. Bereits ein Druckunterschied von 6 hPa kann zu einem unangenehmen Gefühl im Ohr führen. Die Eustachische Röhre, die Mittelohr mit Nasenrachenraum verbindet, kann dann nur noch mit hohem Aufwand für einen Druckausgleich geöffnet werden. Ab einem Unterschied von 8 hPa ist ein Ausgleich kaum noch möglich. Die Schmerzen steigen stark an. Zwischen 10 und 15 hPa droht ein Riss des Trommelfells. Dann gehen zwar die Schmerzen weg, aber das Hörvermögen nimmt ab und Betroffene fühlen sich schwindlig und müssen erbrechen.
Im Steigflug nimmt der Kabinendruck um ca. 18 hPa pro Minute ab. „Wäre der Mensch nicht zum Druckausgleich in der Lage, würde sich im Mittelohr der Druck von gut 1000 hPa halten, während der Umgebungsdruck sinkt und sinkt. Das Trommelfell würde sich als schwächstes Glied nach außen stülpen, bis es reißt", so Dr. Enrique Rojas, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Damit nach zwei Minuten Steigflug nicht alle Passagiere gerissene Trommelfelle haben, öffnet sich durch den Unterdruck im Rachenraum die Eustachische Röhre, die Mittelohr mit Rachenraum verbindet. So kann der höhere Druck aus dem Mittelohr entweichen. Die geschieht ohne Zutun des Menschen.
Bei Sinkflug hingegen steigt der Druck um ca. 11 hPa pro Minute an. Die Eustachische Röhre kann sich von alleine nicht öffnen, wenn im Mittelohr Unterdruck herrscht. Hier müssen die Passagiere über Schlucken und Gähnen den Druck im Mittelohr anpassen. Wird das beim Landen nicht regelmäßig gemacht, wölbt sich das Trommelfell nach innen und verursacht Schmerzen. Es kann zu einem Barotrauma kommen, einer Verletzung, die durch unterschiedlichen Innen- und Außendruck entsteht. Besonders Kinder können unter dem Landeanflug leiden, da bei ihnen die Knorpel um die Eustachische Röhre elastischer sind. Eine Kontraktion der Muskulatur durch Schlucken oder Gähnen reicht oft nicht aus, um die Röhre zu öffnen. Zum sogenannten Valsalva-Manöver sind sie meist nicht in der Lage. Dabei wird bei geschlossenem Mund und Nase versucht, auszuatmen. Der dadurch entstehende Überdruck im Rachenraum erzwingt eine Öffnung der Eustachischen Röhre. Erwachsene können dieses Manöver durchführen, wenn Schlucken und Gähnen nicht für ausreichenden Druckausgleich sorgen. Beim Tauchen wird dieses Manöver regelmäßig durchgeführt.
In seltenen Fällen kann die Funktionsstörung jedoch chronisch werden. Die Eustachische Röhre öffnet sich beispielsweise auch im Alltag nicht. Das Mittelohr wird somit nicht belüftet und es kommt zu einer chronischen Mittelohrentzündung. „In solchen Fällen kann das Einsetzen eines sogenannten Pauken- oder Belüftungsröhrchens in Trommelfell notwendig sein", so Dr. Enrique Rojas. Die genaue Indikation kann aber nur ein HNO-Arzt individuell messtechnisch und ohrmikroskopisch stellen.
„Beim gesunden Ohr genügt in den meisten Fällen das Schlucken", so Dr. Rojas weiter. Nur schlucken Kinder seltener, vor allem wenn sie schlafen. Dr. Rojas empfiehlt deshalb, Kinder vor dem Landeanflug aufzuwecken und ihnen zu trinken zu geben oder sie zu füttern. In Apotheken werden mittlerweile auch spezielle Ohrstöpsel angeboten, die den abrupt ansteigenden Druck aufs Trommelfell beim Landen verlangsamen sollen.
Erkältungskrankheiten können den Druckausgleich ebenfalls erschweren. Wer dennoch fliegen müsse, dem empfiehlt Dr. Rojas, viel zu trinken und abschwellende Nasentropfen einzunehmen.
Im Bild oben: Dr. Enrique Rojas, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Belegarzt im Klinikum Landshut